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Tod eines Centurio

Tod eines Centurio

Titel: Tod eines Centurio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Stimme, männlich und seltsam vertraut, übersetzte: »Deine Huldigung ist akzeptiert. Du darfst dich wieder aufrichten.«
    Ich rappelte mich aus meiner Bauchlage wieder in eine sitzende Position hoch, was mit auf den Rücken gefesselten Händen kein leichtes Unterfangen ist. Ich fürchte, daß mein verbleibender Rest an Würde darunter litt. Deswegen bemühte ich mich, zumindest ein möglichst unbewegliches Gesicht zu machen, eine perfekte Maske römischer Dignitas und Gravitas.
    Und das war gut so, denn als ich wieder aufrecht saß und klar sehen konnte, erblickte ich das erschreckendste menschliche Wesen, dessen ich je ansichtig geworden war.
    Gut zwei Meter groß stand er breitbeinig auf Beinen wie Baumstämmen, zwei Fäuste so groß wie mein Kopf waren in seine Hüfte gestemmt. Im Gegensatz zu den Germanen, die ich bisher gesehen hatte, war er selbst für seine Größe noch unverhältnis mäßig breit, sein Leib wie ein Faß, sein Hals so dick, daß sein Kopf direkt auf seinen meterbreiten Schultern zu sitzen schien.
    Sein Haar war so blond, daß es fast weiß war, sorgfältig gekämmt fiel es bis auf seine Hüften. Sein Vollbart war lockig und von ungewöhnlicher Feinheit, sorgfältig gestutzt im Gegensatz zu der ungepflegten Barttracht der anderen. Seine Gesichtszüge waren zerklüftet und wurden von blaßgrauen Augen dominiert, wie sie passenderweise unter den buschigen Brauen eines Wolfes hätten hervorstarren müssen. Und doch entdeckte ich in diesem wilden und ausgeprägt männlichen Gesicht einige vertraute Züge. Überrascht stellte ich eine gewisse Ähnlichkeit mit Freda fest.
    Seine kurze ärmellose Tunika war aus filzartigem Stoff und mit stilisierten Tier- und ineinander verflochtenen Pflanzenmustern bestickt. Sie war weder gallisch noch germanisch, sondern sah vage Sarmatisch aus. Er trug schweren Gold- und Juwelenschmuck, und an seinem korallenbesetzten Gürtel hing ein Schwert, das so überdimensioniert war wie der Mann selbst, augenscheinlich eine spanische Wertarbeit.
    Ich schlug meinen förmlichsten und offiziellsten Ton an: »Senator Decius Caecilius Metellus der Jüngere von der Republik Rom grüßt Ariovistus, den König von Germanien.«
    Denn um niemanden sonst konnte es sich handeln. Meine Worte wurden von derselben vertrauten männlichen Stimme übersetzt.
    Der germanische König war ein derart überwältigender Anblick, daß ich erst jetzt Molon sah, der leicht versetzt hinter ihm stand.
    Auch er war verwandelt. Er trug eine Tunika aus edler gallischer Wolle, purpur gefärbt, teure, importierte Sandalen und eine massive Silberkette sowie silberne Armreife um beide Handgelenke. Doch sein schräges, spöttisches Grinsen war ganz das alte, während er die knurrenden Laute des Germanen übersetzte.
    »Du sprichst wie ein Botschafter, Römer, doch du bist ohne Gesandtschaft gekommen. Du bist als Spion in mein Gebiet eingedrungen.«
    »Der Senat und das Volk Roms erkennen dieses Land nicht als germanisch an«, erwiderte ich kühn. »Unter dem Konsulat von Caesar und Bibulus bist du vom Senat zum >König und Freund< erklärt worden, doch das bezog sich auf dein Herrschaftsgebiet östlich des Rhenus. Rom befindet sich im Krieg mit den Helvetiern, und ich war auf einer Spähmission in helvetischem Gebiet unterwegs.«
    Er verbreitete sich eine Weile, bevor die Übersetzung folgte.
    »Titel, die eine Körperschaft in einem fremden Land verleiht, bedeuten wenig. Besetztes Land bedeutet alles. Durch das Recht der Eroberung besitze ich Land westlich des Rhenus und habe inzwischen einhundertfünf zigtausend Männer diesseits des Flusses. Alle sind Krieger, Männer, die seit Jahren nicht unter einem festen Dach geschlafen haben. Verwechselt uns nicht mit den Galliern, die in der Hauptsache Sklaven und Bauern sind.
    Bei uns sind alle Männer Krieger.«
    »Die mannhafte Tapferkeit der Germanen ist auf der ganzen Welt berühmt«, sagte ich in der Annahme, daß dies ein guter Zeitpunkt für eine Schmeichelei war. »Genau wie der Kampfgeist Roms. Zwischen unseren Nationen herrscht kein Zwist, König Ariovistus.«
    »Was bedeuten mir deine Worte?« sagte er via Molon. »Du bist nicht bevollmächtigt, mit mir zu verhandeln.«
    »Du bist gekommen, mit mir zu sprechen, nicht ich mit dir«, erwiderte ich. Freda schlug mir mit ihrem Riemen ins Gesicht, doch Ariovistus lachte nur. Er drehte sich um und sagte etwas.
    Ein Krieger band mich vom Pfahl los, und zwei andere hoben mich unter den Armen hoch, als ob ich

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