Tod Eines Engländers
sagte er. » Ich m uß nach Hause, e s ist Weihnachten . «
Sie keuchten beide sc h wer, stolperten in dem heißen, wogenden Sand vor sich hin. Warum ist es zu Weihnachten eigentlich so heiß? … Fieber, es war ein Fieber … Ab u nd zu schlug der W acht m eister die glänzen d en Aug e n kurz auf, sah die fahlen Wände, die in der Dunke l heit gerade noch zu er k ennen war en , aber d a s Z im m er schwankte und schlingerte ebenso u nangenehm wie die San d wüste. Er m ußte die Augen wieder schließen und seine beschwerliche Reise in den Süden, die b i s weit in die Nacht dauerte, wieder aufneh m en .
4
Es war Mitternacht. Der du m pfe Klang der Glocken von San Felice drang durch d ie doppelten Fensterl ä den des Schlafzim m e rs. Keiner der vier Männer hatte auf dem Bett des Englä n ders sitzen wollen, jeder saß auf einem unbeque m en Stuhl und schwieg. Am Abend hatte es vom Hof her n o ch genügend Geräusc h e gegeben, die m an verfolgen konnte – Geschirrklappern, gurge l nde Wasserleitungen, die vertraute Erken n ungs m elodie der Acht- Uhr-Nachri c hten im Fer n sehen, Gelä c hter, ein kurzer Streit, wieder Geschirrklappern. Sie hatten das dicke kleine Mädchen der Ciprianis quietschen und singen hör e n und die Stim m e der Mutter: » G i ovanna! Laß das! Es wird Zeit, daß du ins Bett gehst! Wenn das dein Vater hört … « Dann wieder Fernseh m usik, Gewehrs c hüsse, die im Hof widerhallten, donnernde Hufe, eine Kavallerietro m pete; während der ruhigeren Passagen des Westerns eine alte, verkratzte Verdi-Schallplatte, Gesang von Gigli, zweifellos aus der W o hnung des Richters. S p äter das Kl a ppern v o n Fensterläde n , die geschlossen wur d en, wieder gurgelnde Wasserleitungen, Rufe von Zim m er zu Zim m er, dann Stille .
Nie m and m o chte etwas sagen, m an w ar viel zu müde u n d hätte übersetzen oder si c h sehr einf a ch ausdrüc k en m üssen, und irgendwelche Banalitäten, m it denen m an vielleicht die Zeit totschlagen konn t e, schienen, sobald m an sie in Gedanken übersetzt oder weniger u m gangssprachlich for m uliert h atte, die Anstrengung n i cht m ehr wert zu sein. Also überließ m an sich den eigenen Gedanken, u nd die Tüte m i t den Fei g en und Ma n darinen blieb unanger üh rt auf dem Bett liegen .
»Bitte, lieber Gott, laß m i ch nicht einschlafe n « , be t ete der junge Carabiniere Bacci, der den Streß m ehr und m ehr spürte, und m anc h m al a uch: » Bitte, l ieber Gott, l aß nicht zu, daß ich erschossen werde, wegen Mutter.« Er versuchte, Passagen d e s Strafgese t zbuches in Gedanken a ufzusagen, und dann d i e Vorsc h riften für die W a rtung von g e panzerten Polizeifahrzeugen. Bald nach Weihnachten hatte er eine Prüfung in Rechtskunde und Militärwesen. Er war aber so m üde, daß seine Gedanken abschweiften und er immer wieder auf d ie Vision zurückka m , wie er auf dem Fußboden lag, unter einer Decke, die U m risse m i t Kreide aufgezeichnet, und wie seine Mutter … die anderen drei sahen so ruhig und gleichgültig aus. Die Hand des Haupt m anns ruhte noch im m er auf der Beretta, die auf seinem Knie lag, doch sein Gesicht war so ausdr u ckslos wie im m er .
» Er m öchte vor ihnen keine schlechte Figur m ache n « , hatte der Wachtmeister gesagt, » das wäre seinen Vorgesetzten und ihm selbst unangeneh m .« Sorgte er sich, daß d iese ganze Operation ein F ehlschlag sein könnt e ? Sein Gesichtsaus d ruck verriet nichts … und der englische Chefinspekt o r saß da, die Beine übereinandergesch l agen, m it eingezogenen Schultern … man hätte m einen können, er säße bei sich daheim v o r dem Fernseher. Der J ü ngere sah einfach m üde und ein wenig gelangweilt aus. Angst hatte sonst keiner … aber alle wirkten blaß … od e r lag es n ur an der Dunkelheit, daß ihre Gesichter bleich wie Perga m ent waren? » Bitte, lieber Gott«, betete Ca r abiniere Bacci wieder, m i t einem Blick zur Tür, » mach, daß es bald losge h t . «
Und diese B i tte wurde erhört .
Um zehn vor eins war draußen im Durchgang ein deutliches »Klic k « zu h ören. Je m and hatte die Haustür von einer Woh n ung aus m it dem elektronischen Türöffner geöffnet. U n willkürlich schauten die vier hoch. Sie hatten keine Schritte gehört, er m ußte Filzp a ntoffeln tragen .
Ruhig entsicherte der Haupt m ann seine Aut o m atic und schaltete die Nachttischla m pe aus. Zuvor wechs e lte er noch einen kurzen, erstaunten Blick m it dem Chefinspektor,
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