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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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das.« Ihre Stimme drückte Verständnis und Enttäuschung aus. Sie machte große Augen, voller Sanftmut, als wollte sie ausdrücken, dass sie zu viel erwartet hatte.
    Rathbone wurde rot. Er war sich vollkommen bewusst, dass sie und Margaret fast jeden Tag am Coldbath Square arbeiteten, wo sie ungeachtet des Schmutzes und der Gefahr ihren Ruf aufs Spiel setzten.
    »Wann haben Sie das geplant?«, fragte er vorsichtig.
    »Letzte Nacht«, antwortete Hester, ohne zu zögern.
    Margaret lächelte hoffnungsvoll und schwieg.
    »Letzte Nacht! Ich …« Rathbone war einen Augenblick lang verblüfft. »Ich …«
    »Vielen Dank«, murmelte Hester.
    »Hester!«, widersprach er, obwohl er, wie sie alle drei wussten, längst kapituliert hatte.
    Margarets Augen strahlten, ihre Wangen waren leicht gerötet, obwohl niemand hätte sagen können, ob der Grund dafür die Vorfreude auf den Abend mit einem möglichen Sieg war oder das Wissen, dass Rathbone in erster Linie ihretwegen nachgegeben hatte.
    Hester stand auf, und Rathbone und Margaret taten es ihr nach. Zeit war knapp, aber ganz abgesehen davon, war es klug, sich zurückzuziehen, bevor das Gefühl des Triumphes durch eine gedankenlose Bemerkung in eine Niederlage verwandelt wurde.
    »Haben Sie vielen Dank«, sagte Hester aufrichtig. »Wo möchten Sie sich mit uns treffen? Coldbath Square ist nicht unbedingt ratsam.«
    »Wie wäre es mit der Fitzroy Street?«, schlug Margaret vor. »Ich kann da sein, wann immer Sie wünschen.«
    »Dann komme ich um neun Uhr«, antwortete Rathbone. Er sah Hester mit einem ironischen Lächeln an. »Was trägt man, wenn man sich in ein Bordell einkaufen möchte?«
    Sie betrachtete seinen äußerst eleganten grauen Anzug und das weiße Hemd mit der perfekt geknoteten Krawatte. »Ich würde mich nicht umziehen, wenn ich Sie wäre. So gekleidet, wird er glauben, dass Sie Geld und Einfluss besitzen.«
    »Wie ist es mit Gier, Lasterhaftigkeit und perversem Geschmack?«, fragte er mit leichtem Schürzen der Lippen.
    »Dafür gibt es keine passende Kleidung«, antwortete sie vollkommen ernst. »Bedauerlicherweise.«
    »Touché!«, murmelte er. »Bis neun. Ich nehme an, Sie werden mir dann sagen, was ich sonst noch wissen muss?«
    »Ja, natürlich. Vielen Dank, Oliver. Auf Wiedersehen.«
    Er deutete eine leichte Verbeugung an. »Auf Wiedersehen.«
    Hester und Margaret gingen hoch erhobenen Hauptes nebeneinanderher, ohne etwas zu sagen, jede in ihre eigenen Gedanken vertieft. Hester nahm an, dass Margarets Gedanken bei Rathbone waren, vielleicht eher von Gefühlen bestimmt als von der Vernunft. Auch ihre eigenen drehten sich um Gefühle, denn sie hatte bemerkt, dass Rathbone, ob er es wusste oder nicht, dabei war, sich ebenso heftig in Margaret zu verlieben, wie er einst in Hester verliebt gewesen war. Sie empfand eine starke Mischung aus Bedauern und Freude, aber sie wusste, dass die Freude bald überwiegen würde.
    Als der Hansom kurz nach halb zehn in der Farringdon Road hielt, wussten Hester, Margaret und Rathbone genau, welche Rolle jeder von ihnen beim – wie sie hofften – Niedergang von Squeaky Robinsons Unternehmen spielen würde. Sie stiegen aus und gingen das kurze Stück im unbeständigen Licht der Laternen an der Hatton Wall entlang und über die Leather Lane in die Portpool Lane, die düster im Schatten der Brauerei lag. Keiner sprach ein Wort, jeder konzentrierte sich auf seine Rolle und das, was zu sagen war.
    Hester war nervös. Als sie das erste Mal darüber nachgedacht hatte, war es ein brillante Idee gewesen. Jetzt, da sie sie bald in die Tat umsetzen würden, sah sie alle Probleme, von denen sie erst Margaret und dann Rathbone so eifrig überzeugt hatte, dass sie keine Rolle spielten.
    Sie führte die beiden in die Gasse, die immer noch bemerkenswert sauber war, und die Stufen hinauf zur Tür. Wie zuvor wurde sie von dem Mann in dem abgetragenen Butleranzug geöffnet.
    »Sie schon wieder«, sagte er etwas ungnädig zu Hester, bevor er einen Blick auf die anderen beiden warf. Sein Gesicht umwölkte sich. »Wer sind die denn?«, wollte er wissen.
    »Freunde von mir«, antwortete sie selbstsicher. »Der Herr ist in einem Bereich tätig, der Mr. Robinson interessieren könnte. Ich weiß um gewisse« – sie zögerte taktvoll – »augenblickliche Erfordernisse. Sie sollten ihm sagen, dass ich hier bin.«
    Er war ermächtigt, Entscheidungen zu treffen; das sah man seiner Miene an. Es war zudem mehr als wahrscheinlich, dass er vollkommen

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