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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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über die durch Baltimores Tod ausgelösten Probleme Bescheid wusste. Es konnte gut sein, dass er die Leiche weggeschafft und im Haus von Abel Smith abgelegt hatte. Er hielt, leicht überrascht, die Tür weit auf. »Dann sollten Sie wohl besser reinkommen«, meinte er. »Aber nehmen Sie sich keine Freiheiten heraus. Ich sehe nach, ob Mr. Robinson Zeit für Sie hat.«
    Er ließ sie in dem kleinen Nebenzimmer zurück, in dem Hester schon einmal gewartet hatte. Es war nicht einmal so groß, dass Platz gewesen wäre für drei Stühle.
    Rathbone sah sich neugierig und mit einem leicht angewiderten Naserümpfen um.
    »Sind Sie allein hier gewesen, Hester?«, fragte er besorgt.
    »Ja, natürlich«, antwortete sie. »Niemand hatte mich begleiten können. Schauen Sie nicht so. Es ist mir nichts passiert.«
    »Weiß Monk davon?«, fragte er.
    »Nein. Und Sie werden es ihm auch nicht sagen!«, erwiderte sie hitzig. »Das tue ich selbst, wenn die Zeit dafür reif ist.«
    Er lächelte schwach. »Und wann wird das sein?«
    »Wenn die Angelegenheit erledigt ist«, sagte sie. »Wissen Sie, es ist nicht immer ratsam, allen alles zu erzählen. Manchmal muss man seine Absichten für sich behalten.«
    Er warf ihr einen scharfen Blick zu.
    »Hester ist sehr mutig«, sagte Margaret loyal. »Viel mutiger als ich … in einigen Dingen.«
    »Sie haben hoffentlich mehr Verstand!«, sagte er heftig.
    Margaret wurde rot und senkte den Blick, dann sah sie ihn rasch wieder an. »Ich finde, Sie sollten Hester nicht kritisieren, Sir Oliver. Sie tut das, was sie tun muss, um Menschen zu beschützen, die sonst niemanden haben, der sich um ihre Belange kümmert. Die Tatsache, dass sie in manchen Fällen einen Irrtum begangen haben, unterscheidet sie nicht von uns.«
    Plötzlich lächelte er. Ein warmes, charmantes Lächeln. »Sie haben ganz Recht. Ich bin es einfach nicht gewöhnt, dass Frauen solche Risiken auf sich nehmen. Es ist meine Angst um sie, die da spricht. Ich lerne nur sehr langsam, dass mein Unbehagen sie beunruhigen, aber keineswegs aufhalten wird.«
    »Hätten Sie das gerne?«, fragte Margaret herausfordernd.
    Er dachte nach.
    Hester wartete, überraschend interessiert, was er wohl antworten würde.
    »Nein«, sagte er schließlich. »Das war mal so, aber zumindest so viel habe ich inzwischen gelernt.«
    Margaret erwiderte sein Lächeln, dann schaute sie weg, da sie sich bewusst war, dass sein Blick auf ihr ruhte.
    Der Butler kehrte zurück. »Kommen Sie nur«, sagte er, wies mit dem Kopf in Richtung des Korridors und führte sie tiefer in das Kaninchengehege aus Durchgängen und Treppen.
    Squeaky Robinson saß in dem Raum, in dem er Hester zuvor schon empfangen hatte. Überall um ihn herum türmte sich stapelweise Papier, eine Gaslampe brannte und warf ein gelbes Licht auf den Tisch. Wieder stand darauf ein Tablett mit Teegeschirr. Er sah müde aus, fast erschöpft; seine Haut war faltig, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Wäre er ein gewöhnlicher Geschäftsmann gewesen, hätte er Hester Leid getan, aber sie musste nur an Fanny, Alice und die anderen Frauen denken, denen es ähnlich ergangen war, dann kamen solche Gefühle gar nicht erst auf.
    Squeaky stand langsam auf, warf einen kurzen Blick auf Hester und schaute dann direkt Rathbone an. Margaret nahm er kaum zur Kenntnis. Vielleicht waren Frauen im Wesentlichen unsichtbar für ihn, wenn er sie nicht gerade als Ware begutachtete.
    »Guten Abend, Mr. Robinson«, sagte Hester so ruhig wie möglich. »Ich habe diesen Herrn mitgebracht, dessen Namen Sie nicht wissen müssen, denn er ist daran interessiert, Geld in ein Geschäft zu investieren, das ein bisschen abseits vom Gewöhnlichen liegt und bei dem er sichere und schnelle Erträge machen kann. Es wäre wünschenswert, wenn diese der Aufmerksamkeit der Steuerinspektoren verborgen blieben und bestimmten Mitgliedern seiner Familie nicht erklärt werden müssten, mit denen er sie ansonsten teilen müsste.« Sie deutete auf Margaret. »Und diese Dame kennt sich mit Büchern und Zahlen aus; stets ratsam, wenn man eine Investition tätigen will.«
    Squeaky machte ein Gesicht wie ein Mann, der lange durch eine trockene Ebene gewandert ist und glaubt, Wasser zu sichten. Er starrte Rathbone an, nahm dessen makellose Stiefel wahr, seinen perfekt geschnittenen Anzug aus ausgezeichnetem Tuch, seine schneeweiße Krawatte und die humorige Intelligenz seiner Züge.
    »Guten Tag, Mr. Robinson.« Rathbone reichte ihm nicht die Hand. »Mrs.

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