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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sich leicht. »Sir Oliver Rathbone, Anwalt der Krone.«
    Squeaky Robinson stieß ein langes Stöhnen aus.
    »Dann sind wir ja alle bestens dabei weggekommen«, sagte Hester zufrieden.
    »Wir können sogar Mr. Jessop sagen, dass wir sein Haus nicht mehr brauchen«, fügte Margaret hinzu. »Ich persönlich werde das sehr genießen. Wir werden Sie natürlich nicht fürstlich bezahlen, Mr. Robinson, aber ohne diese hohen Unkosten werden die Spenden genügen, um Sie ausreichend zu ernähren und ordentlich zu kleiden. Wenn Sie das Haus verwalten, haben Sie etwas zu tun. Die jungen Damen können sich ein bescheidenes Einkommen verdienen, ganz ehrenhaft …«
    Squeaky heulte.
    »Gut«, sagte Margaret mit großer Befriedigung. Schließlich warf sie einen Blick auf Rathbone und wurde rot, als sie die Bewunderung in seinen Augen bemerkte. Sie sah Hester an.
    »Sie stecken allesamt unter einer Decke!«, sagte Squeaky anklagend, seine Stimme schraubte sich vor Wut bis ins Falsett.
    »Ganz richtig«, sagte Rathbone freundlich und lächelte, als sei er außerordentlich zufrieden mit sich. »Und jetzt haben Sie das Glück, mit uns zusammen darunter zu stecken, Mr. Robinson. Mein aufrichtiger Rat, den ich Ihnen nicht in Rechnung stellen werde, lautet, das Beste daraus zu machen.«
    Squeaky stieß ein letztes verzweifeltes Stöhnen aus, was die anderen überhörten.

10
    Die Fahrt nach Liverpool verlief ebenso wie die anderen Reisen. Monk konnte das Rattern der Eisenräder über die Dehnungsfugen der Schienen hören, selbst als er, obwohl er energisch dagegen ankämpfte, in den Schlaf glitt. Er hatte Angst, was die Träume bringen würden, Angst vor dem Entsetzen und dem Kummer, dem stechenden, grausamen Wissen um Schuld, obwohl er immer noch nicht wusste, weswegen.
    Er starrte aus dem Fenster auf die vorbeigleitende Landschaft. Die gepflügten Felder waren an den Stellen, wo das Getreide noch nicht gekeimt hatte, dunkel und dort, wo das Frühgetreide schon wuchs, grün, als wäre eine Gaze über die Erde geworfen worden. Die Kirsch-, Pflaumen- und Birnbäume waren voller Blüten, aber all das beeindruckte ihn kaum. Er stieg, ungeduldig dem Ziel entgegenfiebernd, bei jedem Halt des Zuges aus und wieder ein.
    Kurz vor Einbruch der Nacht erreichte er steif und müde die Lime Street Station in Liverpool und suchte sich ein Quartier für die Nacht.
    In der kühlen Morgenluft hatte Monk einen Entschluss gefasst, wo er mit seinen Nachforschungen anfangen würde. Wie weh es auch tun würde und welche Geheimnisse auch enthüllt würden, er musste mit Arrol Dundas anfangen. Wo hatte er gelebt? Wer waren seine Freunde gewesen, seine Kollegen? Was für ein Leben hatte er gelebt? Seit die ersten Erinnerungsfetzen zurückgekehrt waren, hatte Monk all das wissen wollen und gleichzeitig Angst davor gehabt. Es war an der Zeit, sich sowohl den Hoffnungen als auch den Ängsten zu stellen.
    In den Zeitungsberichten hatte gestanden, wo Dundas zur Zeit seiner Verhaftung gelebt hatte. Das war leicht zu überprüfen, und er nahm eine Droschke in die elegante, baumbesäumte Straße. Vor Nummer vierzehn blieb er in dem Hansom sitzen und betrachtete die schönen Häuser, die groß und sorgfältig gepflegt waren. Dienstmädchen klopften hinter den Häusern Teppiche, lachten mit Austrägern oder stritten sich mit ihnen über den Preis für Fisch oder frisches Gemüse. Hier trödelte ein müßiger Stiefelputzer ein paar Minuten herum, dort stand ein Diener und machte ein wichtiges Gesicht. Ohne dass es ihm jemand sagte, wusste Monk: Dies war eine teure Wohngegend.
    »Sind wir richtig, Sir?«, fragte der Kutscher.
    »Ja. Ich möchte nicht reingehen. Nur hier warten«, antwortete Monk. Er wollte nachdenken und die Atmosphäre, den Anblick und die Geräusche in sich aufnehmen. Vielleicht riss irgendetwas hier die Schleier weg und zeigte ihm, was zu sehen er ebenso hoffte wie fürchtete – sich selbst, wie er damals gewesen war, großzügig oder habgierig, blind loyal oder ein Betrüger. Die Vergangenheit bemächtigte sich seiner. Nur noch eines, eine Tatsache, ein Geruch, ein Geräusch, und er würde ihr endlich unmittelbar gegenüberstehen.
    Wer lebte jetzt in diesem Haus? War am oberen Treppenabsatz immer noch ein Fenster mit Glasmalerei, bevor die Treppe um die Ecke ins nächste Stockwerk hinaufführte? War im Garten immer noch ein Birnbaum voller weißer Frühlingsblüten? Im Salon lag sicher ein anderer Teppich, kein rot-blauer mehr, und die roten Vorhänge

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