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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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in seinem Wohnzimmer auf und ab ging. »Er kann das doch nicht einfach so weiterlaufen lassen! Er muss doch mehr tun, als darauf zu hoffen, dass die anderen nichts beweisen können. Soll Dalgarno denn wegen eines inkompetenten Verteidigers verurteilt werden?« Sein Gesicht war aschfarben, seine Augen lagen tief in den Höhlen. »Er tut das doch nicht etwa, um mich zu retten?«
    »Natürlich nicht«, sagte Hester sofort und trat vor ihn.
    »Mich wohl nicht«, sagte Monk mit schmerzvoller Ironie. »Dich schon.«
    Sie nahm seinen Arm. »Er ist nicht mehr in mich verliebt.«
    »Desto größer der Narr!«, gab er zurück.
    »Er ist in Margaret verliebt«, erklärte sie. »Er ist jedenfalls auf dem Weg dahin.«
    Er starrte sie an und zog die Luft ein. »Das wusste ich nicht!«
    Über ihr Gesicht huschte ein Ausdruck der Ungeduld. »Natürlich nicht«, erwiderte sie. »Ich weiß nicht, was er tun wird, William, aber etwas wird er tun – aus Ehrgefühl, Stolz, was auch immer. Er wird nicht kampflos aufgeben.«
    Aber Rathbone war das ganze Wochenende über nicht zu erreichen. Als Hester am Samstagmorgen frische Milch holen ging, schnappte sich Monk, kaum dass er ein paar Minuten alleine war, Katrinas Tagebuch. Er tat es nicht gerne, aber aus lauter Verzweiflung griff er gierig nach jedem noch so kleinen Hinweis.
    Er verstand nur Bruchstücke. Es war verschlüsselt, als wollte sie sich nur ihrer Gefühle erinnern. Die Menschen, die sie dazu inspiriert hatten, waren so sehr mit ihrem Leben verwoben gewesen, dass sie nur wenig gebraucht hatte, um sie sich wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es ergab keinen Sinn.
    Er kämpfte mit seiner eigenen Erinnerung. Es gab da etwas, genau dort, hinter seinem Verstand, etwas, das alles erklärte, aber der Schatten verwischte, und je schärfer er hinschaute, desto schneller löste er sich in Chaos auf und lieferte ihn der langsamen, peinlich genauen Prozedur des Gesetzes aus.
    Als sich das Gericht am Montagmorgen zum dritten Verhandlungstag zusammenfand, sah es aus, als hätte Rathbone es tatsächlich darauf abgesehen, die Verhandlung ohne Kampf zu beenden.
    Monk, Hester und Margaret vergingen schon fast vor Ungeduld, als Fowler die Polizeizeugen hereinbrachte, zuerst den Polizisten, der die Leiche gefunden hatte, und dann Runcorn, der seine eigene Rolle im Geschehen beschrieb.
    Und jetzt endlich beantwortete Rathbone die bereits in sarkastischem Tonfall gestellte Frage, ob er den Zeugen verhören wolle, mit »Ja«.
    »Meine Güte!«, sagte Fowler amüsiert, um bei den Geschworenen, die bis jetzt nichts als unbestrittene Zeugenaussagen gehört hatten, Eindruck zu schinden.
    »Superintendent Runcorn«, begann Rathbone höflich. »Sie haben uns Ihr Vorgehen gerade wunderbar genau geschildert. Sie haben bestimmt nichts übersehen.«
    Runcorn sah ihn misstrauisch an. Er hatte genug Erfahrung als Zeuge, um ein Kompliment nicht bloß für ein solches zu halten. »Danke«, sagte er ungerührt.
    »Ich nehme an, Sie haben nach Anhaltspunkten gesucht, die beweisen, dass der auf dem Balkon gefundene Umhang Mr. Dalgarno gehörte?«
    »Natürlich«, stimmte Runcorn ihm zu.
    »Und, ist es Ihnen gelungen?«, hakte Rathbone nach.
    »Nein, Sir.«
    »Hat Mr. Dalgarno denn keinen Umhang?«
    »Doch, Sir, aber nicht diesen hier.«
    »Besitzt er etwa zwei?«
    »Nicht dass ich wüsste, Sir. Aber das heißt nicht, dass dieser ihm nicht gehörte«, verteidigte sich Runcorn.
    »Sicher nicht. Er hat diesen hier heimlich gekauft, um ihn dann auf dem Balkon, von dem er Miss Harcus in den Tod stürzte, liegen zu lassen.«
    Ein nervöses Kichern ging durch den Saal. Ein paar Geschworene blickten verwirrt drein. Sanft legte Jarvis Baltimore seine Hand auf Livias.
    »Wie Sie meinen, Sir«, sagte Runcorn gelangweilt.
    »Aber nein, nicht ich sage das!«, entgegnete Rathbone heftig. »Sie haben es gesagt! Ich sage, er gehörte jemand anders … der auf dem Dach war und Miss Harcus' Tod zu verantworten hat … jemand, dessen Spur zu verfolgen Sie nicht mal in Erwägung gezogen haben.«
    »Niemand sonst hatte ein Motiv«, sagte Runcorn ruhig.
    »Soweit Sie wissen!« Rathbone forderte ihn heraus. »Ich werde Ihnen gleich eine ganz andere Interpretation der Umstände geben, Superintendent, eine, die Ihre kühnsten Vorstellungen übertrifft … eine, die zu beweisen Sie niemals auch nur versucht haben, weil sie so außergewöhnlich ist, dass niemand darauf gekommen ist. Ich danke Ihnen. Das ist alles.«
    Monk drehte sich hastig herum

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