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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wahr?« Das war eigentlich keine Frage. Er hatte sich die Antwort selbst gegeben. »Vielen Dank.«
    »Bitte, jederzeit. Hoffentlich nützt's Ihnen was«, sagte der Schreiber zuvorkommend.
    »Doch, ja, danke.« Als Monk das Büro verließ, war er ein wenig benommen. Liverpool war wichtig, aber wenn er herausfand, welche Landverkäufe mit der jetzigen Baltimore-Linie zu tun hatten, wäre er zumindest mit den Abläufen vertraut. Liverpool hatte sechzehn Jahre gewartet, und er musste Katrina Harcus berichten. Wenn Betrug auf irgendeine Weise zu dem ersten Unfall geführt hatte, war er mehr als jeder andere moralisch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht wieder vorkam. Er konnte nicht nach Liverpool fahren und die Geister seiner Erinnerung jagen und zulassen, dass der ganze Albtraum sich wiederholte, weil er zu beschäftigt war, um sich darum zu kümmern.
    Er ging zurück in die Fitzroy Street, um saubere Kleider und genug Geld zu holen und Hester zu sagen, wohin er fuhr und warum. Dann nahm er einen Hansom zur Euston Station und von dort den nächsten Zug nach Derby.
    Die Reise kostete neunzehn Shilling und drei Pence und dauerte mit einmal Umsteigen in Rugby fast vier Stunden. Der Wagen der zweiten Klasse war in drei Abteile aufgeteilt, die weniger als anderthalb Meter lang und mit je zwölf nackten, niedrigen Sitzen ausgestattet waren. Die Abteile waren nicht verbunden, und die Trennwände waren mit Werbeplakaten beklebt. Das Ganze war so niedrig, dass Monk sich bücken musste, um sich nicht den Kopf zu stoßen. Die erste Klasse war höher, aber sie war auch teurer und nicht unbedingt besser geheizt oder sauberer – obwohl die Jalousiefenster zumindest die fliegenden Händler hindern würden, auf den Bahnhöfen den Kopf hereinzustecken und den Fahrgästen ihren Gin-Atem ins Gesicht zu blasen!
    Es war ein kühler Tag, an dem sich Sonne und Regen abwechselten, was für Ende März ganz normal war, aber wie zu erwarten war der Zug unbeheizt. Die mit heißem Wasser gefüllten metallenen Fußwärmer waren so oder so der ersten Klasse vorbehalten. Dennoch war der Zug weit besser als die so genannten »Parlamentszüge«, die gemäß Lord Palmerstons Gesetz Durchschnittsbürgern das Eisenbahnfahren zum Preis von einem Penny pro Meile ermöglichten.
    Monk war froh, als er in Rugby aussteigen und sich die Beine vertreten, auf die Toilette gehen und von einem Händler auf dem Bahnsteig ein Sandwich kaufen konnte.
    Um auf der nächsten Etappe etwas zu lesen zu haben, kaufte er auch eine Zeitung. Da er zu Anfang des Bürgerkriegs, der dort getobt hatte, in Amerika gewesen war, interessierte er sich für einen Artikel über das Vorrücken der Unionstruppen unter einem Generalmajor Samuel R. Curtis, der in Missouri einen Feldzug begonnen hatte. Den letzten Kriegsberichten zufolge hatten sich die in der Minderheit befindlichen Konföderierten in den Nordwesten von Arkansas zurückgezogen.
    Er erinnerte sich mit Entsetzen an das Blutbad, dessen Zeuge er in der Schlacht im vergangenen Sommer geworden war, an das schiere Grauen, das ihn erfasst hatte, und an Hesters Tapferkeit bei der Versorgung der Verwundeten. Nie war seine Bewunderung für sie größer gewesen. Zum ersten Mal sah er die zerfetzten Körper, die sie zu retten versuchte. Er betrachtete alles, was er je zuvor über sie gedacht und für sie empfunden hatte, von nun an mit anderen Augen – ihren Zorn, ihre Ungeduld – und hatte größtes Verständnis, wenn sie manchmal barsch reagierte.
    Während er durch das Abteilfenster die friedliche Landschaft betrachtete, spürte er Dankbarkeit in sich aufwallen und den Willen, sie zu schützen und sie vor Gewalt oder Gleichgültigkeit zu bewahren.
    Als der Zug in den Bahnhof von Derby einfuhr, war er hocherfreut. Nun konnte er mit seinen Nachforschungen beginnen.
    Er verbrachte den ganzen Tag im Stadtarchiv, wo er sich alle Landverkäufe entlang der ganzen Trasse von einer Grenze der Grafschaft bis zur anderen anschaute, bis ihm die Buchstaben vor den schmerzenden Augen verschwammen. Aber er fand nichts Ungesetzliches. Sicher wurden Gewinne eingestrichen, Vorteile gezogen aus der Unwissenheit des anderen und Hunderte von Familien ihres Zuhauses beraubt – obwohl es auch einige Bemühungen gab, neue Häuser für sie zu finden –, und eine immense Summe Geld war von einer Hand in die andere gewandert.
    Monk versuchte, sein altes Rechentalent wieder zu aktivieren, das er als Bankangestellter gehabt haben musste, um

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