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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hatte, sie abzuhalten?
    Ging es gar nicht um Land, sondern um die unendlich viel schlimmere Sache, an die er überhaupt nicht zu denken wagte – den Unfall?
    Er hatte nichts entdeckt, außer dass Baltimore und Söhne dort, wo die Schienen um den Hügel herumgeführt wurden, wohl zu viel Gewinn gemacht hatte. Laut einer anderen, älteren Vermessung war der Hügel mindestens fünfzehn Meter kleiner. Mit einer geschickten Mischung aus Gefälle und Einschnitten wäre nicht mal ein Tunnel notwendig gewesen. Aber die Sprengungen wären trotzdem teuer gewesen. Granit war fest, und ihn fortzuschaffen war kostspielig. War der Gewinn hoch genug, um es einen Betrug zu nennen? Nur wenn er vorherige Kenntnis und Absicht nachweisen konnte. Und selbst das war zweifelhaft.

4
    Monk brauchte am nächsten Morgen, nachdem er die Stadt verlassen hatte, anderthalb Stunden, um zu der Baustelle zu kommen, wo die neue Eisenbahn gebaut wurde.
    Es war ein schöner Tag, über das Gras strich ein leichter Wind, der den Geruch nach Erde und Frühling und das ferne Blöken der Schafe mit sich trug.
    Von der Höhe des Pferderückens fiel sein Blick auf die niedrigen Weißdornhecken, an denen bereits die ersten Blätter sprossen und die später fast bis zum Boden mit weißen Blüten bedeckt sein würden. Er folgte einem Weg, der allmählich zur fast zwei Kilometer entfernten Kuppe anstieg, hinter der die letzte Krümmung der Schienen lag. Der Wind wehte ihm leicht und kühl ins Gesicht.
    Ein gutes, starkes Tier unter sich zu spüren machte ihm enorm Freude. Er war lange nicht mehr geritten, doch in dem Augenblick, in dem er sich in den Sattel geschwungen hatte, hatte es sich vertraut und sicher angefühlt. Wie frei er sich fühlte in dieser Landschaft, wie neugeboren!
    In der Ferne entdeckte er zu seiner Rechten die Dächer eines Dorfes, das halb zwischen Bäumen versteckt lag und über dem sich ein Kirchturm erhob, und eine mit Ulmen bestandene Parklandschaft.
    Fast direkt vor den Hufen des Pferdes kam ein Kaninchen aus dem Gras und hoppelte mit weiß aufblitzendem Schwanz ein Stück weiter, bevor es wieder verschwand.
    Er wollte sich schon umwenden, um zu sagen, wie überrascht er über den Anblick sei, da wurde ihm schlagartig bewusst, dass er allein war. Wen hatte er erwartet? Er konnte ihn so deutlich vor sich sehen, als wäre er tatsächlich da, einen hoch gewachsenen Mann mit weißem Haar, schmalem Gesicht, markanter Nase und dunklen Augen. Er hätte ebenfalls gelächelt, da er genau wusste, was Monk meinte, und so musste er sich nicht weiter darüber auslassen. Es war ein beruhigender Gedanke.
    Arrol Dundas. Genauso war es! An strahlenden Frühlingstagen wie diesem waren sie zusammen kreuz und quer durch das Gelände geritten, hinauf zu den Gleisbaustellen, auf denen Hunderte von Streckenarbeitern arbeiteten. Als wären sie direkt hinter der Erhebung, konnte er ihre Rufe hören und die Spitzhacken, die in die Erde schlugen, den hellen Klang von Eisen auf Stein, das Rumpeln von Rädern auf Bohlen. Vor seinem geistigen Auge erschienen die gekrümmten Rücken von Männern mit den für die Streckenarbeiter so typischen Bärten, die Schaufeln hoben, Schubkarren voller Steine und Erde schoben und die Pferde vorwärts trieben. Er und Dundas waren da, um zu sehen, wie weit sie vorangekommen waren, um einzuschätzen, wie lange sie wohl noch brauchten, oder um das eine oder andere Problem zu lösen.
    Hier war es still, bis auf den Wind, der das ferne Muhen von Kühen und das Blöken von Schafen und gelegentlich ein Bellen herübertrug. Gut achthundert Meter vor ihm bewegte sich ein Karren den Weg entlang, aber der Schlamm in den Furchen verschluckte das Rattern seiner Räder, und außerdem war er zu weit weg.
    Was für Probleme? Protestierende, wütende Dorfbewohner, Bauern, deren Land zerteilt wurde und die behaupteten, ihre Kühe würden wegen der Unruhe keine Milch geben, und wenn die Züge erst durchratterten und den Frieden auf den Weiden störten, würde es noch schlimmer werden.
    In den Städten lag die Sache anders. Häuser wurden abgerissen, und viele hundert Menschen wurden zur Räumung gezwungen. Er erinnerte sich vage an einen Plan, die Bögen der Viadukte als Häuser für die Obdachlosen zu nutzen. Es gab drei Klassen von Unterkünften von unterschiedlicher Qualität zu unterschiedlichen Preisen. Die niedrigste Kategorie bot sauberes Stroh und kostete nichts. Er konnte sich nicht erinnern, ob dieser Plan je in die Tat umgesetzt worden

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