Tod eines Fremden
gewesen war, als sie ihm von Dun-das' Tod erzählt hatte. Er konnte sich das Zimmer vergegenwärtigen, das Sonnenlicht, ihr blasses Gesicht, die Tränen auf ihren Wangen, als gäbe es nur noch diesen, den verborgenen, tiefsten, nie endenden Schmerz. An sie dachte er mehr als an Dundas, sie, deren Kummer größer war als sein eigener.
Da war auch noch etwas anderes, aber er konnte es nicht wieder hervorholen. Er saß da und blickte auf die alten Zeitungen mit ihren vergilbten Rändern und mühte sich, es wieder lebendig werden zu lassen. Immer wieder schien es in Reichweite zu sein, und dann zersplitterte es in sinnlose Bruchstücke.
Er gab auf und wandte sich dem nächsten Verhandlungstag zu. Weitere Zeugen, diesmal die der Verteidigung. Buchhalter wurden aufgerufen, Menschen, die Einträge in Hauptbücher gemacht hatten, die Bücher führten, Geldanweisungen, Kaufverträge für Land, Eigentumsurkunden und Prüfberichte abhefteten. Bei diesen äußerst komplizierten Vorgängen war die Hälfte von ihnen im Kreuzverhör unsicher geworden. Der heftigste Stoß der Verteidigung war nicht der gewesen, dass es keinen Betrug gab, sondern dass auch Nolan Baltimore verdächtig war.
Während Nolan Baltimore jedoch im Zeugenstand war, saß Arrol Dundas auf der Anklagebank – das machte den Unterschied. Es hing davon ab, wem man glaubte. Sämtliche Beweise konnten so oder so gedeutet werden. Monk wusste, wie es gelaufen war, trotzdem konnte er in dem Gewirr keine Spur finden, die zur Wahrheit führte.
Niemand bezweifelte, dass Dundas auf eigenen Namen minderwertiges Ackerland gekauft hatte, und zwar zu einem Marktpreis, der niedrig genug war, wenn man lediglich Schafe darauf halten wollte. Als die ursprüngliche Streckenführung der Eisenbahn allerdings geändert wurde und um einen Hügel herum und genau über dieses Ackerland führte, musste es zu einem erheblich höheren Betrag gekauft werden, und Dundas machte in kürzester Zeit einen riesigen Gewinn.
An sich war das nichts weiter als eine außergewöhnlich glückliche Spekulation, auf die man neidisch blickte, ohne sie jedoch zu tadeln. Man mochte sich darüber ärgern, dass man nicht das Gleiche getan hatte, aber nur ein engstirniger Mann hasst jemanden für einen solchen Gewinn.
Der Verdacht des Betrugs kam erst auf, als sich herausstellte, dass die Verlegung der Strecke nicht nur unnötig gewesen war, sondern auch auf Dokumentenfälschung und Dundas' Lügen basierte. Auch wenn ein bestimmter Gutsbesitzer gegen die Strecke zu Felde zog, weil sie durch sein Jagdgebiet führte und ihm den Ausblick auf die prächtige Landschaft ruinierte, wäre man bei der ursprünglichen Streckenführung geblieben. Den Hügel, der als Vorwand für die Verlegung diente, gab es wirklich, und er lag auch tatsächlich auf der ursprünglichen Streckenführung, aber in Wirklichkeit war er weniger hoch als in der Vermessung, von der sie ausgegangen waren, die in Wahrheit von einem anderen Hügel stammte, der ähnliche Umrisse hatte, aber höher war und aus Granit. Die Gitternetzmarkierungen waren in einem einfallsreichen Betrugsmanöver gefälscht worden. Der eigentliche Hügel, der die Streckenführung störte, hätte mit einem einfachen Durchstich und leichter Steigung bezwungen werden können. Zur Not hätte es auch ein kurzer Tunnel getan. Die Kosten dafür waren in Dundas' Kalkulation viel zu hoch angesetzt, und zwar so hoch, dass es nicht auf Unfähigkeit zurückzuführen war.
Alle früheren Pläne von Dundas wurden überprüft, und nirgends fand man einen Fehler, der mehr als einen Meter ausmachte. Dieser Kalkulationsfehler hier jedoch machte über dreißig Meter aus. Addierte man das zu seinem Gewinn durch den Landverkauf hinzu, kam man zwangsläufig zu dem Schluss, dass er vorsätzlich betrogen hatte.
Unfähigkeit, Fehleinschätzung und zufälligen Gewinn hätte man sicher erfolgreich verteidigen können, aber auf dem Kaufvertrag und auf dem Vermessungsbericht stand Dundas' Name, und das Geld lag auf seinem Konto, nicht auf Baltimores.
Angesichts der Beweise fällten die Geschworenen das einzig mögliche Urteil. Arrol Dundas wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Innerhalb weniger Monate starb er.
Monk fror, während er von Erinnerungen durchdrungen wurde. Erneut empfand er die Niederlage als überwältigend. So stark war der Schmerz, dass er ihn körperlich spürte. Es tat ihm weh um Dundas willen, der blass und eingesunken dasaß, als habe das Alter ihn eingeholt und ihn
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