Tod eines Fremden
… klammerte, gegen … was kämpfte? Er wusste es nicht! Es gab etwas, was er tun musste. Das Schicksal aller, die ihm wichtig waren, hing davon ab – aber was war es?
Er zerbrach sich den Kopf und fand nur den brennenden Zwang zu siegen. Der Wind strömte an ihm vorbei wie flüssiges Eis. Er stemmte sich gegen eine Kraft, warf sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen, aber sie wollte nicht weichen.
Es war ein unbeschreiblicher Lärm, ein Aufprall, und dann lief er davon, kroch weg, blind vor Angst. Von allen Seiten durchzuckten ihn Schreie wie körperlicher Schmerz, und er konnte nichts tun! Er war von Aufruhr umgeben, schlug sinnlos um sich, stieß in einem Augenblick im Dunkeln mit irgendetwas zusammen, wurde im nächsten von Flammen geblendet, spürte die Hitze im Gesicht und die Kälte hinter ihm. Seine Füße waren wie Blei, hielten ihn fest, während ihm am Körper der Schweiß hinunterlief.
Wieder erschien das Gesicht über dem Kollar, dasselbe wie zuvor, diesmal – grau vor Entsetzen – kletterte der Geistliche über die Trümmer und schrie die ganze Zeit.
Monk wachte mit einem heftigen Ruck auf, sein Kopf pochte, seine Lungen schmerzten, und sein Mund war trocken. Sobald er sich bewegte, merkte er, dass er tatsächlich schwitzte, die Kleider klebten ihm am Leib, obwohl es in dem Waggon kalt war, und die Füße waren ihm eingeschlafen.
Er war allein in dem Abteil. Den Geruch nach Rauch hatte er sich nur eingebildet, aber die Angst war real, ebenso wie die Schuld. Das Wissen um sein Versagen lastete auf ihm, als sei es fest mit seinem Leben verwoben und beflecke alles, krieche in jede Ecke und verderbe jede andere Freude.
Aber welches Versagen? Er hatte Dundas nicht gerettet, aber das wusste er seit Jahren. Und jetzt war er sich nicht mehr ganz sicher, ob Dundas wirklich unschuldig war. Er fühlte es, aber was waren seine Gefühle wert? Sie entstammten der Loyalität und Unwissenheit eines jungen Mannes, der jemandem, der wie ein Vater zu ihm gewesen war, sehr viel schuldete. Er hatte diesen Mann so gesehen, wie er ihn zu sehen wünschte, wie es Millionen vor ihm und Millionen nach ihm taten.
Er hatte von einem Zusammenstoß geträumt – das war offensichtlich. Aber war es ein wirklicher Zusammenstoß oder ein eingebildeter, angeregt von den vielen Augenzeugenberichten derer, die ihn erlebt hatten, oder von einem Besuch vor Ort zur Untersuchung dessen, was geschehen war?
Die Strecke war es nicht. Auch nicht der Landbetrug, der keine anderen Folgen hatte als finanzielle.
Warum empfand er dann diese schreckliche Verantwortung, diese Schuld? Was war so fürchterlich, dass er es anzusehen immer noch nicht ertrug? War es Dundas – oder er selbst?
Konnte er es herausfinden? Wurde er genau wie Katrina Harcus getrieben, eine Wahrheit zu finden, die alles, was ihm etwas bedeutete, zerstören konnte?
Zitternd und frierend kauerte er auf seinem Sitz und ratterte durch die Dunkelheit auf London zu, während seine Gedanken von den Schienen weg durch Tunnel eilten – zu einem weiteren, einem anderen Zusammenstoß.
7
In dem Haus am Coldbath Square war kaum etwas zu tun, denn die Frauen, die sonst kamen, arbeiteten nicht und kamen folglich auch nicht zu Schaden. Die Anwohner hatten zum Großteil Möglichkeiten gefunden, der ständigen Polizeipräsenz aus dem Weg zu gehen, und betätigten sich jetzt anderswo, aber auf den ersten Blick war die Farringdon Road fast so wie immer. Nur ein geübtes Auge sah, wie zurückhaltend sich die Straßenhändler benahmen und dass die Menschen sich ständig über die Schulter sahen, nicht weil sie Taschendiebe oder Kleinganoven fürchteten, sondern wegen der allgegenwärtigen Polizisten, die in frustrierter Langeweile überall herumstanden.
»Sitzen uns im Nacken wie ein Jockey, der sein Pferd prügelt, das nicht laufen will«, sagte Constable Hart unglücklich und hielt einen Becher heißen Tee in beiden Händen. Er saß Hester gegenüber an dem kleineren der beiden Tische. »Und wir laufen nicht, weil wir nicht können!«, fuhr er fort. Es war Nachmittag, und es regnete. Sein nasser Umhang hing an einem Haken neben der Tür. »Wir stehen nur rum und sehen dumm aus und machen alle wütend auf uns«, beschwerte er sich. »Nur damit die Familie Baltimore und ihre Freunde das Gefühl haben, wir räumen London auf.« Seine empörte Miene brachte seine Gefühle eindeutig zum Ausdruck.
»Ich weiß«, sagte sie mitleidig.
»Das ist noch niemandem gelungen, und das wird auch
Weitere Kostenlose Bücher