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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der Eigentümer von Dalgarnos Gesellschaft, der Mann, dessen Mord Hester und die Frauen, um die sie sich kümmerte, so viel Unannehmlichkeiten bereitet hatte. Er war in der Leather Lane gestorben, war aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Prostituierten die Treppe hinuntergestoßen worden, die er wohl nicht hatte bezahlen wollen.
    Oder aber der Eisenbahnbetrug hatte ihn am Ende doch eingeholt, und er war, wie Katrina befürchtete, umgebracht worden, damit es nicht noch einmal passierte oder damit es nicht an den Tag kam und weitergeführt werden konnte. Hatte er vorgehabt, auch diesen Betrug aufzudecken, diese beinahe exakte Kopie des damaligen Betrugs, der funktioniert hätte, wenn … wenn was?
    Monk legte die Zeitung auf den Tisch und starrte auf die Reihen mit Aktendeckeln und Hauptbüchern vor ihm. Was hatte Arrol Dundas verraten? Warum war der Plan nicht unentdeckt geblieben? Hatte ihn jemand betrogen, oder war es Unbedachtheit gewesen, eine Überweisung, die nicht sorgfältig genug verborgen worden war, eine Eintragung, die nicht durchgezogen wurde, etwas Unvollständiges, ein Name, der nicht hätte erwähnt werden dürfen?
    Wenn jemand Monk erzählt hatte, was er im Vertrauen erfahren oder aus Beobachtungen geschlussfolgert hatte, konnte er es sich jetzt nicht wieder in Erinnerung rufen, sosehr er sich auch bemühte.
    Seine Augen schmerzten vom vielen Abschreiben, und die Zeilen hüpften, aber jeden Tag ging er zurück, um die Berichte über die Zeugenaussagen zu lesen. Betrugsverfahren waren stets langwierig; wollte man die komplexen Prozesse des An-und Verkaufs von Land, der Vermessung, des Aushandelns von Streckenführungen, der Erwägungen zu Methoden, Materialien und Alternativen zurückverfolgen, gab es sehr viele Einzelheiten zu beachten.
    Er rieb sich die Augen und blinzelte, als sei Sand darin.
    Auch er hatte ausgesagt, aber von ihm gab es keine Zeichnung. Er war nicht interessant genug, um den Leser zu fesseln. Also war, ob der Künstler ihn gezeichnet hatte oder nicht, kein Bild von ihm veröffentlicht worden. War er enttäuscht? War er damals wirklich eine unwichtige Randfigur gewesen? Es schien so.
    Er las, was über seine eigene Befragung durch den Ankläger berichtet wurde. Zunächst war er verblüfft, dass der Ton der Fragen darauf hindeutete, dass offensichtlich auch er verdächtigt worden war. Aber vernünftig und ohne instinktiven Selbstverteidigungstrieb betrachtet, hätte der Mann pflichtvergessen gehandelt, hätte er die Möglichkeit nicht ebenso ernsthaft erwogen.
    Wenn Monk aber damals verdächtigt worden war, warum hatte man ihn später für so unwichtig erachtet, dass man nicht einmal ein Bild von ihm gedruckt hatte? Es musste etwas zu seiner Verteidigung vorgebracht worden sein. Zu dem Zeitpunkt, als die Zeitung in Druck ging, war er tatsächlich nicht mehr betroffen. Warum? Spielte es heute noch eine Rolle? Wahrscheinlich nicht.
    Den Zeitungsberichten zufolge hatte Monk einige der Kaufverhandlungen geführt. Man schien ihm nur sehr mühsam aus der Nase gezogen zu haben, dass er den Landvermesser nicht angestellt hatte, und diese Tatsache hatte ihn entlastet. Insgesamt war er keine halbe Stunde im Zeugenstand gewesen. Falls er überhaupt etwas zu Dundas' Entlastung gesagt hatte, dann stand es nicht in der Zeitung. Von der Staatsanwaltschaft war er als gegnerischer Zeuge betrachtet worden, aber die meisten Fragen betrafen Dokumente, die kaum geleugnet werden konnten.
    Er konnte sich nicht daran erinnern, was er gesagt hatte, nur an das Gefühl, in der Falle zu sitzen, von der Menge angestarrt und vom Richter mit finsteren Blicken bedacht zu werden, von den Geschworenen abgewogen und eingeschätzt, vom gegnerischen Anwalt angegriffen und von Dundas Hilfe suchend angeschaut zu werden. Hilfe, die er nicht geben konnte. Das stand ihm selbst jetzt noch deutlich vor Augen. Er empfand Schuld, weil er nicht clever genug gewesen war, Dundas zu helfen.
    Dann sah er ganz deutlich ein anderes Gesicht, das, aus welchem Grund auch immer – vielleicht aus Mitleid –, nicht gezeichnet worden war: Dundas' Frau. Sie hatte während des ganzen Prozesses mit schrecklicher Ruhe dagesessen. Ihre Loyalität war das Einzige, was zu loben selbst der Ankläger sich genötigt gesehen hatte. Er hatte mit Respekt über sie gesprochen, war er sich doch sicher, dass ihr Glaube an ihren Mann echt und unerschütterlich war.
    Monk erinnerte sich daran, wie sie hinterher gewesen war, wie tief ihr leiser Kummer

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