Tod eines Holländers
den Jungen gefragt. Jetzt würde sie sich überschwenglich bei Don Torqua t o entschuldigen und dann die spärlich beleuchtete Straße entlangeilen, in Gedanken bei der Frage, ob Nunziata es wohl geschafft hatte, die beiden Kinder ins Bett zu bringen.
Sie und Nunziata brachten die alte Da m e u m halb acht zu Bett, wobei sie den m assigen, kaum noch e m pfindungsfähigen Körper ge m einsam trugen. Jeden Morgen um halb sieben trugen sie sie ins Wohnzimmer zurück, nachdem sie gewaschen und angekleidet worden war, oder brachten sie auf die Terrasse hinaus, bis es dort zu heiß wurde. Sobald Nunziata zur Arbeit gegangen war, weck t e Teresa die beiden Kinder und zog das Bett der alten Frau ab, um die durchnäßten Laken zu waschen. Abends er l edigte sie ihre Besorgungen, während Nunziata zu Hause blieb. Für sie war das die beste Tageszeit.
Manch m al wim m e r te die alte Frau stundenlang vor sich hin und wollte nach Hause gebracht werden. Niemand konnte sagen waru m . Seit elf Jahren wohnte sie in diesem H aus, wußte aber nicht m ehr, wer oder wo sie war. Teresa pflegte ihren Tätigkeiten im Haus nachzugehen und dabei zu rufen: » Genug jetzt… schschsch.«
Sie war jung, seine Frau. Sie brauchte etwas Erholung, ein wenig Vergnügen. Er wußte, wenn sie frustriert und unglücklich war, dann würde sie sich, statt u nnütz zu klagen, auf ihre Hausarbeit stürzen, in ih r er Wut alles drei m al putzen. In solchen Mo m enten sahen die beiden Jungen zu, daß sie ihr nicht über den Weg liefen und tunlichst nichts falsch m achten.
Er hatte keine Möglichkeit, Teresa zurückzurufen. Am Donnerstag würde sie um neun Uhr abends bei Don Torquato sein und dort auf seinen Anruf warten. Bis dahin konnte er nichts tun…, und er hatte kein einziges nettes Wort zu ihr gesagt… Er ging wieder in die K üche. Der Fernsehfilm war in vollem Gange, und er schaute eine Weile zu, ohne den Ton lauter zu stellen, denn er wußte, daß er nicht d ie Geduld hatte, sich in d ie Geschichte hineinzufinden.
» H mp h «, grunzte er und stellte das Gerät ab. Vielleicht wollte er sich unbewußt bei seiner Frau entschuldigen, indem er genau das tat, was sie getan hätte, wenn sie sich so niedergeschlagen fühlte wie er. Jedenfalls machte er sich plötzlich über den Abwasch her und hantierte mit Töpfen und Geschirr. War es falsch gewesen, sich nicht um einen Posten in S y rakus beworben zu haben? Das hatten sie s i ch i mmer v orgestellt, doch dann hatten sie über die schulischen und beruflichen Möglichkeiten für die Kinder gesprochen…, aber seine Mutter war für einen Umzug zu alt, und dann der Schlaganfall… Nachdem er die Küche wieder aufgeräumt hatte, ging er in sein Büro, knipste die Schreibtischlampe an und begann, seine Notizen über den Holländer zu tippen. Er schrieb mit zwei Fingern, ziemlich schnell. Als er fertig war, lehnte er sich zurück und las das Geschriebene noch einmal durch. Es schien ihm, als sei die ganze Sache vor hundert Jahren einer anderen Person passiert. Mit einem Schulterzucken legte er die Seiten in einen hellbraunen Ordner und löschte das Licht. Dann ging er ins Bett, leer und wie benommen, und schlief sofort ein.
3
» Oh Gigi, a m ore m io ! « krähte Di Nuccio in gequältem Falsett.
»Tra u m m eines Lebens, nur du allein…« Das war Lorenzinis Bariton.
» Von solc h er Schöhönheit… ! « sa n gen sie im Unisono und tra m pe l ten dabei mit den Stiefeln auf den Holzdielen. Daraufhin beschloß der Wachtmeister, hinaufzusteigen, und schnaufend erschien er i n der Tür.
» Na, na ! «
Di Nuccio und Lorenzini stolperten ein wenig, setzten Gino aber wieder auf d i e Beine und verfielen in Schweigen.
» Sind wir hier in einem Schulzimmer oder auf einer Polizeiwache ? « brum m te der Wachtmeister und be m ühte sich, verärgert auszusehen, konnte aber bei dem Anblick, der sich ihm bot, nicht anders als sch m unzeln. Gino stand dort zwischen den beiden anderen, die m it offenem Kragen und hochgekrempelten He m dsär m eln einem heißen Arbeits t ag entgegensahen, während Gino eine t adellose Figur m achte: die Khak i hose sorgfä l tig gebügelt, Jacke und Krawatte m akellos, die blonden Haare, noch feucht von der Dusche, gingen auf w i e eine Chrysantheme. Selbst der He m dkragen unter dem glänzenden, runden Gesicht saß m ehr oder weniger korrekt.
»Raus m it d ir, wenn du Ausgang hast. Es wird Z eit, daß die beiden hier sich an die Arbeit m achen, es ist bestimmt schon acht. Wohin
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