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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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und Gasbrennern, als der Wachtm e ister, der sich vergeblich nach einem Lift u m gesehen hatte, langsam das düstere Treppenhaus hinaufstieg. Ein von zahllosen Händen geglättetes Seil, das durch schwarze Eisenringe lief, die auf jedem Treppenabsatz in die löchrige Wand eingelassen waren, diente als Geländer. In jedem Stockwerk gab es zwei braun gestrichene Türen m i t großen polierten Messinggriffen.
    Sie stand schon in der Wohnungstür und erwartete ihn und begann zu weinen, sobald er, die Mütze in der Hand, auf dem letzten Treppenabsatz in Sicht ka m . Vor lauter Ate m losigkeit brachte er kein Wort heraus, und er versuchte gar nicht erst, ihren Wortschwall zu unterbrechen, während er ihr hineinfolgte.
    » Seit m einem Anruf sind schon Stunden vergangen, aber auf eine alte Frau hört ja niemand – inzwischen hätte m an mich ausrauben können, m ir m eine letzten Habseligkeiten wegneh m en können –, aber diese Kuh wird m ich nicht hinauskriegen! Die wissen nicht, was es heißt, alt und schutzlos zu sein…«
    Er m ußte sich anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten, denn der m i t Rollen versehene Stuhl, der ihr a l s Gehhilfe diente, schoß auf dem gefliesten Korridor entlang, und die kleine Gestalt wankte plappernd und klagend hinterher. Die Wohnung war lang und sch m al, die wichtigsten Zimmer gingen links vom Flur ab. Die Schlafzimmertür stand i m m er offen, so daß m an das spärl i che Mobiliar sehen konnte, aber alle anderen Zimmer, soviel wußte der Wachtmeister von L orenzini, standen leer. Die Frau hatte im Laufe der Zeit ihre wertvollen alten Möbel Stück für S t ück verkaufen m üssen. Schließlich e r reichten sie am Ende des Korridors d i e Küche.
    » Ne h m en Sie Platz ! «
    Die gebrechliche Frau hatte sich schon am Fenster in einen abgewetzten hohen Ledersessel gesetzt, der m it vielen bunten, blu m eng e m u sterten Kissen ausstaffiert war. Vor ihr, auf einem niedrigen Tisch, stand ein Telefon auf einem Häkeldeckchen, daneben lag eine Liste m it großen roten Zahlen sowie ein Vergrößerungsglas. Sie zeigte auf den harten Stuhl gegenüber, auf dem er Platz neh m en sollte.
    »Wofür soll denn die Sonnenbrille gut sein ? «
    »Entschuldigen Sie.«
    Er setzte s i e ab und steckte sie in seine Tasche. » Eine Allergie… meine Augen vertragen das Sonnenlicht nicht . «
    » Aber doch nicht hier ! «
    Es war wirklich nicht s e hr hell i m Z immer. V o m Fenster aus sah m an in einen kleinen, dunklen Innenhof. Bestimmt beobachtete sie den ganzen Tag über das Treiben i hrer Nachbarn, und m anch m al schob sie sich m it Hilfe des Laufstuhls in das Schlafzimm e r, um das Leben auf der Piazza zu verfolgen. Diese Steintreppe, vier Stockwerke hoch… es m ußte Jahre her sein, seit sie das letzte Mal draußen war.
    Die alte D a m e registrierte sofort das Mitgefühl in seinem Bli c k und nutzte es aus.
    » S ie sehen ja, worauf das hinausläuft. Tag für Tag allein, und niemand k o mmt mich b esuchen, nicht eine Seele. Über sechzehn Jahre bin ich nicht draußen gewesen, habe immer allein hier gesessen… Tag für Tag…«
    Dicke Tränen kullerten aus ihren Augen, und sie zog ein Taschentuch aus ihrem Kleid hervor.
    » Aber bestimmt kommt doch die Altenpflegerin, Signora! Erledigt sie nicht die Ei n käufe für S i e? Und hilft sie Ihnen nicht beim Wasc h en, Anziehen und Kochen ? «
    » Dieses M i ststück! Ich spreche von Freunden, die m ich besuchen sollen, nicht von Angestellten. Glauben Sie, ich hätte zu Lebzeiten meines Mannes eine Frau wie sie ins Haus gelassen? Aber heutzutage darf m an keine Ansprüche haben. Einmal hat sie Konserven m i tgebracht, aber da habe ich klipp und klar eine Grenze gezogen. Ich habe ihr sofort erklärt … «
    Von wegen. Der Wachtmeister erinnerte sich, daß sie die kleine Dose Hühnchenfleisch der ar m en jungen Frau an den Kopf geworfen und ihr eine böse Wunde zugefügt hatte. Lorenzini, den Signora Giusti zuvor angerufen hatte, um sich über die Jugendlichen ein Stockwerk tiefer zu beschweren, die ihre Stereoanlage voll aufgedreht hatten, war m itten in den Streit hereingeplatzt. Die Altenpflegerin war in Tränen aufgelöst und hielt sich ein nasses Handtuch an die stark blu t ende Schläfe. Lorenzini hatte die jungen Leute m i tgebracht, da m i t sie ihm halfen, für Ordnung zu sorgen, und aus dem zweiten Stock war ein Ehepaar heraufgekom m en, u m nachzusehen, was der ganze Lärm sollte. Der Mann, der nach t s bei der S t raßenreinigung

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