Tod eines Lehrers
gut.«
Samstag, 17.10 Uhr
B üro von Peter Brandt. Er hatte von unterwegs Nicole Eberl angerufen und sie gebeten, ins Präsidium zu kommen, wo sie ihn bereits erwartete, wohnte sie doch nur fünf Minuten entfernt.
Während der folgenden Stunde wiederholte Anja Russler beinahe wörtlich das, was sie Brandt bereits unter vier Augen gesagt hatte, nur dass diesmal ein Tonband mitlief. Sie rauchte dabei fünf Zigaretten und trank zwei Tassen Kaffee. Jede Frage, die ihr gestellt wurde, beantwortete sie ruhig und gefasst.
Um kurz nach sechs bat Brandt einen vor der Tür stehenden Beamten, ins Büro zu kommen und an der Tür zu bleiben. Er selbst ging mit Eberl ins Nebenzimmer, machte die Tür hinter sich zu und sagte: »Was hältst du von der ganzen Sache?«
»Klingt sehr plausibel, wenn man davon absieht, dass sie es nicht allein getan haben kann, auch wenn sie es steif und fest behauptet.«
»Ganz genau. Aber sie wird von ihrer Version nicht abweichen. Und was nun?«
»Ich kann dir da nicht helfen. Die hat in ihrem Leben so viel durchgemacht, die ist froh, dass sie sich nun endlich für das rächen konnte, was ihr angetan wurde. Das war für sie wie ein seelischer Befreiungsschlag gegen die Männer. Soll ich dir was sagen – ich finde, sie ist eine tolle Frau, auch wenn sie eine Mörderin ist. Ich weiß, ich weiß, ich dürfte als Polizistin an so was nicht mal denken, aber das ist ein Ausnahmefall.«
»Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen, ich denke ja genauso. Heute Morgen ging’s mir noch prächtig, und jetzt ist da nur noch dieses saumäßig flaue Gefühl im Magen. Hast du das mitbekommen, ihr Vater ist Pfarrer. Ein Pfarrer, der seine eigene Tochter missbraucht! Am Sonntagmorgen auf der Kanzel stehen und von Liebe, Moral und all so ’nem Zeug predigen und nachts … Weißt du, was ich jetzt machen werde? Ich werde unsere liebe Frau Staatsanwältin anrufen und sie herbitten. Auf das Gesicht bin ich gespannt. Sie soll den Haftbefehl ausstellen, sie ganz persönlich. Und dann sehen wir weiter.«
»Du bist doch ein Zyniker.«
»Vielleicht hast du Recht, aber in diesem Scheißjob kann man leicht einer werden. Ich will die Klein einmal mit etwas konfrontieren, das sie vielleicht zum Nachdenken bringt. Und vielleicht hat die Russler ja sogar Glück, und ihre ehemalige Klassenkameradin setzt sich für sie ein. Man sollte schließlich nie die Hoffnung aufgeben.«
Er nahm den Hörer in die Hand und tippte die Privatnummer von Elvira Klein ein. Nach dem fünften Klingeln sprang der Anrufbeantworter an. Brandt drückte auf die Gabel. Er suchte die Handynummer heraus und tippte sie ein.
»Ja?«, meldete sich Elvira Klein.
»Hier Brandt. Ich hoffe, ich störe nicht …«
»Das tun Sie in der Tat. Ich nehme aber an, es ist wichtig.«
»Es ist wichtig. Schwingen Sie sich in Ihren Benz und kommen Sie in mein Büro. Ich möchte Ihnen gerne jemanden vorstellen.«
»Herr Brandt …«
»Und bitte beeilen Sie sich, ich möchte nämlich auch gerne Feierabend machen. Und bringen Sie den Schein mit.«
»Was für einen Schein?«
»
Den
Schein.«
»Heißt das, Sie haben den Täter?«
»Gut kombiniert.«
Er legte auf und sah Nicole Eberl an. »Sie kommt. Kannst du mich bitte einen Moment allein lassen, ich muss mal telefonieren.«
»Klar. Lass mich raten …«
»Raus, und zwar dalli, dalli!«, sagte er grinsend und wies mit dem Finger auf die Tür.
»Bin schon weg.«
Brandt musste es lange klingeln lassen, bis am andern Ende abgenommen wurde.
»Ich bin gerade aufgewacht«, sagte Andrea und gähnte. »Du meine Güte, es ist ja schon fast halb sieben. Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?«
»Jemanden festgenommen.« Er sprach leise, obwohl die Wände hier keine Ohren hatten. »Es wird noch eine Weile dauern, bis ich hier wegkomme, aber ich würde trotzdem gerne heute Abend noch ein paar Stunden mit dir verbringen.«
»Ich hab doch gesagt, du brauchst nur zu klingeln. Soll ich uns was zu essen machen? Ein paar belegte Brote?«
»Nein, ich kann von unterwegs auch ’ne Pizza mitbringen, ich bin nämlich ein Pizzafreak. Was möchtest du drauf haben?«
»Das Gleiche wie du. Was dir schmeckt, wird auch mir schmecken.«
»Okay. Dann bis nachher und …«
»Und was?«
»Nichts weiter. Wir sehen uns.«
Er legte auf, sein Herz pochte. Mein Gott, ich habe mich verliebt. Aber ich kann ihr doch nicht schon jetzt sagen, dass ich sieliebe. Wie hört sich das denn an: Bis nachher, und ich liebe dich!
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