Tod eines Lehrers
Haare und ihrer Haut. Sie nahm seine Hand und streichelte über seine Finger.
»Wie schnell doch manche Dinge gehen«, sagte sie leise, »gestern waren wir zum ersten Mal aus, du bist gleich mit zu mir gekommen, wir haben miteinander geschlafen, und du bist mir so vertraut, als wären wir schon seit zwanzig oder dreißig Jahrenverheiratet. Könnte es sein, dass wir uns schon mal in einem anderen Leben begegnet sind?«
»Glaubst du etwa an so was?«
»Warum nicht? Ist doch immerhin möglich. Glaubst du nicht an Reinkarnation?«
»Ich hab mir über so’n Kram noch keine Gedanken gemacht.«
»Aber du wurdest katholisch erzogen, oder?«
»Na ja, was man so katholisch erzogen nennt. Ich hab mit neun meine Kommunion gehabt und danach nur noch einmal eine Kirche betreten, und das war zu meiner Hochzeit, weil meine Ex das so wollte.«
»Meinst du, deine Eltern haben was dagegen, dass wir … Vergiss gleich wieder, was ich gesagt habe …«
»Warum sollte ich das vergessen? Erstens bin ich wohl alt genug, um meine Entscheidungen allein zu treffen, und außerdem, meine Mutter wird sich freuen. Die liegt mir nämlich schon seit längerem in den Ohren, dass ich mir endlich wieder eine Frau suchen soll. Aber ich bin nicht der Typ, der sucht, bei mir muss es einfach so passieren.«
»Könntest du dir vorstellen, mit mir zusammenzubleiben? Ich meine, so richtig zusammenzubleiben?«
»Warum nicht? Meine Wohnung ist groß genug.«
»Heißt das, ich müsste nach Offenbach ziehen? In dieses Kaff?«, sagte sie lachend.
»Oh, Offenbach ist schön, Offenbach ist chaotisch, und es hat einen großen Vorort – Frankfurt.«
»Blödmann«, sagte sie und stupste ihn in die Seite. »Ich war kurz vor Weihnachten mal in Offenbach und hab mich gnadenlos verfranzt …«
»Ich sag doch, Offenbach ist chaotisch. Die Bahnhofstraße führt überallhin, nur nicht zum Bahnhof, irgendwelche bekloppten Stadtplaner haben vermutlich im Vollrausch beschlossen, inmitten eines Verkehrskreisels in der Berliner Straße eine Ruhezone einzurichten, die sie zum Glück wieder entfernt haben, alssie wieder nüchtern waren, der Markt findet nicht auf dem Marktplatz statt, sondern auf dem Wilhelmsplatz, dafür ist auf dem Marktplatz der Busbahnhof und so weiter und so fort. Willst du noch mehr hören?«
»Danke, das reicht. Wir reden ein andermal drüber.« Sie wollte gerade noch etwas hinzufügen, als es klingelte. Sie schaute auf die Uhr, sah Brandt verwundert an und sagte: »Wer klingelt denn mitten in der Nacht?«
»Frag, und du wirst es wissen. Außerdem ist es nicht mitten in der Nacht, sondern erst halb zehn.«
Sie stand auf und drückte auf die Sprechanlage. »Ja?«
»Ich bin’s, Elvira. Kann ich hochkommen?«
»Ich bin schon fast im Bett«, schwindelte sie und sah Brandt an, der wie von der Tarantel gestochen hochgeschossen war.
»Dauert auch bestimmt nicht lange. Ich brauch deinen Rat.«
»Okay, komm hoch.« Sie öffnete die Haustür, zog sich schnell aus und einen Bademantel über und sagte zu Brandt: »Geh ins Schlafzimmer, und mach die Tür hinter dir zu.«
»Bin schon weg«, erwiderte er, ging schnell ins Schlafzimmer und legte sich aufs Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er hörte die Stimmen von Elvira Klein und Andrea. Nach zwei Minuten hielt er es nicht mehr aus, seine Neugierde war beinahe unerträglich. Er stand so leise wie möglich auf und lehnte sich an die Tür, um zu hören, was die Klein um diese Zeit und dazu noch an einem Samstagabend hier wollte.
»Tschuldigung, wenn ich so spät noch störe, aber ich habe einen miserablen Tag hinter mir.«
»Setz dich erst mal, du bist ja ganz aufgelöst. Ein Glas Wein?« Elvira Klein nickte, sah die beiden Gläser auf dem Tisch und sagte: »Hattest du Besuch?«
»Nur eine Bekannte«, antwortete Andrea ausweichend und reichte ihr das Glas. »Was gibt’s denn so Schlimmes?«
»Ich bin jetzt seit fast zwei Stunden ziellos durch die Gegend gefahren, weil ich das alles erst mal auf die Reihe kriegen muss.«Sie saß vornübergebeugt da, das Glas Wein in den Händen, und starrte zu Boden. »Brandt hat heute die Mörderin der beiden Lehrer verhaftet. Mein Gott, als ich gesehen habe, wer das ist, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. Es handelt sich um eine ehemalige Schulkameradin von mir, die jetzt Lehrerin ist. Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll.«
»Jetzt mal schön der Reihe nach«, sagte Andrea, obwohl sie die Geschichte bereits von Brandt kannte und innerlich
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