Tod eines Lehrers
schmunzeln musste.
»Was soll ich großartig sagen? Da sind zum einen die beiden Toten und zum andern eine Frau in unserm Alter, die die Hölle auf Erden erlebt hat. Ich kann das ja unmöglich Brandt oder irgendeinem andern gegenüber zugeben, aber sie tut mir so unendlich Leid.«
»Und warum kannst du das nicht zugeben? Bist du dir zu stolz dafür?«
»Quatsch, aber als Staatsanwältin vertrete ich nun mal das Gesetz und muss mich an Vorschriften halten. Sobald ich diesem Männerclan gegenüber auch nur die geringste Schwäche zeige, wird das doch sofort ausgenutzt. Das war schon immer so, und daran wird sich auch nichts ändern.«
»Du hast Probleme mit Männern. Warum eigentlich? Du siehst blendend aus, du bist intelligent …«
»Und genau das wollen die Männer nicht. Eine intelligente Frau, die es zu etwas gebracht hat, ist den meisten unheimlich. Und Brandt ist da kein Stück anders.«
»Meinst du nicht, dass du Brandt und den andern Unrecht tust? Ich kenne Brandt zwar nur flüchtig, aber er scheint mir ein ziemlich liberaler Typ zu sein, der auch mal fünfe grade sein lässt. Und gegen Frauen hat er bestimmt nichts.«
»Er ist geschieden, das sagt doch wohl einiges. Ich frag mich sowieso, wie er das hinkriegt – zwei Töchter und dann dieser Job. Das hält der nicht lange durch, das schwöre ich dir. Ich könnte ja nicht mal mit einem Kind was anfangen.«
»Du hast dich für deine Karriere entschieden, und das ist okay. Aber du kannst doch Brandt keinen Vorwurf machen, dass er Kinder hat. Und warum seine Ehe in die Brüche gegangen ist, weißt du auch nicht. Geh doch wenigstens ein paar Schritte auf ihn zu. Er wird schon nicht beißen.«
»Das sehe ich überhaupt nicht ein. Außerdem arbeiten wir auf zwei völlig unterschiedlichen Ebenen.«
»Jetzt mach aber mal halblang«, entgegnete Andrea aufgebracht. »Entschuldige, wenn ich das so sage, aber ich frage mich, was du eigentlich von mir hören willst.«
»Gar nichts, ich musste nur mal meinen Frust loswerden. Warum zum Beispiel hat Brandt mir nicht schon am Donnerstag gesagt, dass Anja ein Verhältnis mit Schirner hatte, obwohl ich ihm deutlich zu verstehen gab, dass ich ständig auf dem Laufenden gehalten werden möchte? So habe ich es heute quasi en passant erfahren.«
»Und was wäre gewesen, wenn du’s schon früher erfahren hättest? Vielleicht hat er ja einen guten Grund gehabt, es erst mal für sich zu behalten. Er ist doch ein guter Polizist, oder etwa nicht?«
»Mag sein … Ja, er ist ein guter Polizist, aber er handelt mir einfach zu eigenmächtig. Egal, ich will nicht mehr über ihn sprechen, mir geht es um Anja.«
»Warum tut sie dir eigentlich Leid? Sie hat zwei Menschen umgebracht«, sagte Andrea und spielte weiter die Ahnungslose, »und das ist kein Kavaliersdelikt.«
»Sie wurde als Kind missbraucht und hat rausgefunden, dass Schirner und Teichmann ihre Position schamlos ausgenutzt haben. Aber das ist nicht das Wichtige. Ich werde die Anklage vertreten, und ich will nicht, dass Anja den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen muss. Aber wie stelle ich es an, dass der Richter nicht merkt, dass ich eigentlich auf ihrer Seite bin? Jeder erwartet doch von mir, der ach so toughen Staatsanwältin, dass ich die Anklage so aufbaue, dass am Ende Anja für mindestensfünfzehn Jahre hinter Gittern landet. Doch wenn das alles, was sie erzählt hat, auch nur ansatzweise stimmt, dann hat sie zwar einen Gesetzesbruch begangen, doch ich kann ihre Beweggründe durchaus nachvollziehen. Ich bin nicht so kalt, wie alle denken.«
»Das weiß ich doch. Wenn du Probleme mit der Anklage hast, übertrag den Fall doch einfach einem andern, der unbefangen ist.«
»Meinst du, darüber hätte ich nicht schon längst nachgedacht?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, unmöglich. Ich bin die einzige Staatsanwältin, die andern sind alle Männer, und von denen traue ich keinem zu, Anja zu verstehen. Männer halten doch immer zusammen. Und wenn die Frauen von Schirner und Teichmann als Nebenklägerinnen auftreten und ihre Männer wer weiß wie in den Himmel heben, dann gute Nacht. Und außerdem haben wir noch immer keine handfesten Beweise dafür, dass Schirner und Teichmann wirklich diese Verbrechen begangen haben.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass Brandt eine Aussage zugunsten dieser Anja machen wird. Zumindest schätze ich ihn so ein.«
»Dein Wort in Gottes Ohr. Er hat sie festgenommen und muss natürlich vor Gericht aussagen. Aber er kann nur
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