Tod eines Lehrers
das wiedergeben, was Anja ihm erzählt hat, und vielleicht etwas über seinen Eindruck von ihr. Ich lass mich einfach überraschen.«
»Und wenn du vorher mit ihm sprichst?«
»Kommt gar nicht infrage!« Elvira Klein nahm einen Schluck von dem Wein und stellte das Glas auf den Tisch. »Du verstehst mich nicht, oder?«, sagte sie und sah Andrea an.
»Manches ja, manches nein. Ich kann nur sagen, dass ich Brandt mag und er bisher immer nett und freundlich mir gegenüber war.«
»Das ist ja auch etwas völlig anderes. Ich bin Staatsanwältin und du Rechtsmedizinerin. Von dir will er Ergebnisse haben undich von ihm. Und damit kommt er nicht klar, weil er ein Problem mit Frauen hat. Wir werden nie zusammenkommen …«
»Brandt hat also ein Problem mit Frauen. Und du mit Männern, wenn ich dich so reden höre.«
»Ich muss los, und du willst ins Bett. Danke für den Wein«, sagte Elvira Klein pikiert und stand auf.
»Und mit Kritik kannst du auch nicht umgehen, selbst wenn sie gut gemeint ist. Trotzdem bin ich immer für dich da.«
»So ein Blödsinn! Natürlich kann ich mit Kritik umgehen, vorausgesetzt, sie ist fundiert und plausibel.«
»Wenn das so ist, gebe ich dir noch was mit auf den Weg. Du bist hart gegenüber dir selbst und hart gegenüber andern. Aber das ist nur Fassade. In deinem Innern bist du nämlich ganz weich, doch du traust dich nicht, es zu zeigen, weil du Angst hast, deine Identität zu verlieren. Denk mal drüber nach. Und jetzt mach’s gut, ich bin müde.«
»Nacht.« Elvira Klein zog sich den Mantel über, ihr Blick sprach Bände.
»Warte doch mal. Jetzt spiel nicht gleich die beleidigte Leberwurst. Um noch mal auf diese Anja zurückzukommen – sie behauptet, sie war’s allein?«
»Ja«, entgegnete Klein ungehalten, »doch das glaub ich nicht, es sei denn, du hast dich geirrt. Aber du hast selbst gesagt, dass es zwei Täter waren. Und da wären wir wieder bei Brandt. Ich bin sicher, er hat eine Vermutung, wer die zweite Person ist, doch er will partout nicht mit der Sprache rausrücken, und das macht mich rasend.«
»Warum macht dich das rasend? Sei doch froh, dass da einer ist, der das richtige Näschen hat. Was glaubst du, wie viele andere es geschafft hätten, den Fall in so kurzer Zeit zu lösen – zumindest zum Teil? Ich glaub, die kannst du an einer Hand abzählen. Lass ihn doch einfach machen. Er hat dir eine Täterin gebracht, und die oder den andern wird er dir auch noch präsentieren, vielleicht sogar auf einem silbernen Tablett.«
Elvira Klein neigte den Kopf ein wenig nach links und sagte mit seltsamem Blick: »Wieso setzt du dich eigentlich so für ihn ein?«
»Ich setze mich doch nicht für ihn ein, ich versuche nur beide Seiten zu sehen, deine und seine. Das ist alles«, antwortete Andrea, die merkte, dass Elvira Klein hellhörig zu werden schien.
»Das ist alles?«, fragte Klein zweifelnd.
»Was immer jetzt in deinem Kopf vorgeht, vergiss es.«
»Schon gut, schon gut, war nicht so gemeint. Bis bald.«
Andrea machte die Tür zu und lehnte sich dagegen. Sie schüttelte den Kopf, atmete ein paarmal tief durch und begab sich ins Schlafzimmer. Brandt lag auf dem Bett und schaute sie mit diesem Blick an, in den sie sich schon vor Jahren verliebt hatte.
»Hast du mitgehört?«, fragte sie grinsend.
»Nur ein paar Wortfetzen«, log er ebenfalls grinsend.
»Ich wette, du hast gelauscht.« Sie ließ sich aufs Bett fallen und legte ihren Kopf auf seine Brust. »Hast du gelauscht?«
»Nein.«
»Hast du doch! Los, gib’s zu.« Sie kniff ihn in die Seite, es kitzelte.
»Also gut, aber nur ein klitzekleines bisschen. Die ahnt was. Du hättest nicht so sehr Partei für mich ergreifen sollen. Die Klein ist nicht dumm.«
»Und? Soll sie doch denken, was sie will. Und außerdem, wenn wir …«
»Wenn wir was?«
»Na ja, ich denke halt immer schon weiter, vielleicht zu weit.«
»Wie weit?«, fragte Brandt und streichelte ihr übers Haar.
»Ich bin eben so. Verdammt noch mal, ich habe mich vor einer halben Ewigkeit in dich verliebt, und seit gestern Nacht ist daraus Liebe geworden. Ich kann doch nichts dafür.«
»Und wenn ich jetzt sagen würde, dass es bei mir genauso ist?«
»Dann sag es.«
»Was soll ich sagen?«
»Die drei Worte.«
Brandt drehte sich auf die Seite und sah Andrea lange und tief in die Augen. »Die drei Worte. Die berühmten drei Worte?«
»Die berühmten drei Worte.«
»Also gut, ich liebe dich.«
»Wow, was für eine Begeisterung! Du kannst
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