Tod eines Lehrers
ein großartiger Mann wie er so sinnlos sterben, nur weil vielleicht ein verrückter Junkie ein paar Euro für den nächsten Schuss braucht.«
»Wie kommst du denn ausgerechnet auf einen Junkie?«, fragte Teichmann erstaunt.
»Das ist halt das Klischee, das ich mir vorstelle. Es tut mir Leid, was passiert ist. Es tut mir wirklich alles so unendlich Leid.«
»Mir auch«, entgegnete Teichmann.
»Echt? Was tut dir Leid?«
»Du stellst vielleicht Fragen. Man verliert schließlich nicht jeden Tag den besten Freund. Sei mir nicht böse, aber mir wird langsam kalt, und Dina sollte bei dem Wetter auch nicht so lange draußen bleiben. Tschüs und schönen Abend noch. Wir sehen uns.«
»Den werde ich haben. Und es ist alles gesagt.«
»Sicher.«
Teichmann ruckte kurz an der Leine und gab damit Dina ein Zeichen zum Weitergehen. Ein letzter Blick auf die Person, er wollte an ihr vorbei. Er sah die Hand nicht kommen, fühlte nur den Stich, der in seine Eingeweide drang. Er riss den Mund auf,wollte schreien, doch immer mehr Stiche trafen ihn. Er fasste sich an die Brust, seine Beine gaben nach, und er fiel zu Boden. Seine Augen waren vor Entsetzen weit geöffnet, kein Laut kam aus seiner Kehle, nur ein unverständliches Gurgeln. Dina jaulte auf, leckte ihrem Herrchen übers Gesicht, bis auch sie von mehreren Messerstichen getroffen wurde und schließlich tot neben Teichmann lag, der nicht mehr wahrnahm, wie seine Hose aufgemacht und mit einem schnellen Schnitt seine Genitalien abgetrennt wurden.
Donnerstag, 23.55 Uhr
N atalia Teichmann hatte geduscht und war sofort danach ins Bett gegangen. Die Nachttischlampe hatte sie brennen lassen, damit ihr Mann, wenn er ins Schlafzimmer kam, nicht gegen das Bett stieß, wie ihm das schon des Öfteren passiert war. Sie rollte sich in die Decke ein, schloss die Augen, ein anstrengender Tag lag hinter ihr. Für einen kurzen Moment zog noch das Gespräch mit ihrem Mann an ihr vorbei, sie sah noch einmal seine Unruhe, diese innere Anspannung, die Angst, sie könnte etwas erfahren, das sie niemals erfahren durfte. Irgendwann würde sie trotzdem herausfinden, was mit ihm los war, denn sie war eine hartnäckige Frau.
Um zwanzig vor zehn schlief sie ein, nachdem sie sich befohlen hatte, alle negativen Gedanken beiseite zu legen. Sie hatte einen entsetzlichen Traum, es war Winter und finstere Nacht, und dicke Schneeflocken fielen zur Erde. Sie war allein in diesem Traum und suchte ihren Mann und erblickte ihn schließlich in weiter Ferne, und doch schien er so nah zu sein. Sie wollte zu ihm gehen, bewegte sich auch vorwärts, allerdings sehr mühsam, als wären ihre Füße am Boden festgeklebt, und sosehr sie sich auch anstrengte, sie erreichte ihn nicht, die Distanz blieb immer die gleiche, obwohl er sich nicht von der Stelle rührte.
Natalia war schweißgebadet, als sie aufwachte, ihr Atem ging schwer, als würde eine Tonnenlast auf ihrer Brust liegen. Sie setzte sich auf, schaute zur Seite, das Bett war leer. Ein Blick zur Uhr, fünf vor zwölf. Sie fuhr sich über die Stirn und anschließend durchs Haar. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Sie nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, die neben ihrem Bett stand. Das Atmen fiel ihr schon leichter, und auch der eben noch schnelle Herzschlag beruhigte sich. Sie wunderte sich, dass er noch nicht im Bett war, denn normalerweise ging er nicht später als um elf schlafen, meist sogar früher. Er hatte gesagt, er würde vielleicht noch ein bisschen lesen, aber er tat dies selten länger als eine Stunde. Sie warf die Bettdecke auf die Seite, stand auf und ging ins Wohnzimmer, wo das Licht brannte, doch keine Spur von Eberhard. Auch der Esstisch war noch nicht abgeräumt. Sie kniff die Augen zusammen, rief seinen Namen, ging durch sämtliche Zimmer und hinunter in die Praxis, doch ihr Mann war nicht da, und auch Dina war nirgends zu finden.
Wo bist du?, dachte sie und merkte, wie ein Gefühl unheimlicher Beklemmung in ihr hochkroch. Die Müdigkeit war wie verflogen, sie versuchte klar zu denken, doch es wollte ihr nicht gelingen. Einige Minuten lang tigerte sie ruhelos im Wohnzimmer auf und ab, überlegte, ob sie die Polizei anrufen und ihren Mann als vermisst melden sollte, bis sie sich entschloss, ihn erst einmal selbst zu suchen. Es gab eine Kneipe, in die er früher ab und zu nach den Spaziergängen mit dem verstorbenen Hund gegangen war, doch seit sie Dina hatten, besuchte er diese Kneipe nicht mehr.
Sie hoffte inständig, der böse
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