Tod eines Maechtigen
es beabsichtigt hatte. Ich fand unter den Pilgern aus aller Herren Länder Streiter für meine Sache, und wir fuhren so manchen Sieg gegen dunkle Mächte ein. Anfangs hatte ich noch befürchtet, Salvat würde mir nachspüren lassen, um meine Pläne zu vereiteln, aber es geschah nichts; scheint's war für ihn wirklich ohne Belang, was außerhalb seines Refugiums Übles vorging ... Ich hatte mich nicht in ihm getäuscht - ein tumber Narr war und blieb er.
Getäuscht hatte ich mich aber in jenem, der den verfluchten Gral nach Jerusalem trug!
Und alles wurde anders .
Meine Hoffnung, mich des Fluches entledigen zu können, war zerschlagen. Weil ich fortan als vampirisches Wesen nicht einmal mehr zu sterben imstande war - und mithin weiter von der Erlösung aller Schuld entfernt denn je zuvor ...
*
... was Remigius' Rachlust gegenüber dem Hüter und dessen Kelch ins kaum Ermeßliche steigerte, als seine Gedanken ins Hier und Heute zurückkehrten!
»Zeig mir den Weg!« verlangte er knapp von dem, was er sich aus Fionna einst im beinahe wörtlichen Sinne geschmiedet hatte.
Mit der Handkante fuhr Remigius über den Tisch und strich das flüsternde Metall zusammen, so daß er es über die Kante zurück in das Ledersäckchen schieben konnte. Münzen. Aus Silber. Dreißig an der Zahl.
*
»Was tust du da eigentlich, mein Lieber?« Rebecca Chaim stand am Herd der schlicht eingerichteten Küche und bereitete schon die nächste Mahlzeit vor, obgleich sie gerade erst das Frühstücksgeschirr abgeräumt hatte. Es schien, als müsse sie sich fortwährend beschäftigen, um sich abzulenken.
Aber Gershom Chaim wußte, daß dem nicht so war. Weder Rebecca noch sein Sohn David bekamen wirklich mit, was seit Tagen anders war. Ihre Wahrnehmung schien wie isoliert oder mit einem Filter versehen, der alles aufhielt, was nicht alltäglich war.
Nur Rahel und er waren so nicht zu beeinflussen, aus welchem Grund auch immer. Seine Tochter mochte durch ihre kindliche Naivität noch einigermaßen Schutz erfahren, er aber war der furchtbaren Wirklichkeit hilflos ausgeliefert.
Noch .
»Ich schnitze.« Er antwortete seiner Frau, ohne in seinem Tun innezuhalten oder auch nur aufzusehen.
»Und was wird es, wenn du damit fertig bist?« fragte Rebecca weiter. Ihr Tonfall erweckte nicht einmal den Anschein von echtem Interesse. Zwar klang ihre Stimme freundlich, doch ging ihr alles Melodische ab, was Gershom stets so daran geliebt hatte, daß er ihr den ganzen Tag lang lauschen konnte, ohne ihrer überdrüssig zu werden. Jetzt aber war Rebeccas Ton nur noch nüchtern, ohne Emotion - seelenlos. Seit sie in ihr Haus gekommen waren ...
Gershom sah unweigerlich zur Küchendecke auf, als könne sein Blick Holz und Stein durchdringen, um erst droben unterm Dach sein verhaßtes Ziel zu finden. Dann senkte er den Kopf wieder und konzentrierte sich auf seine Arbeit.
Spitz war der Pflock schon. Doch nadelspitz mußte er werden! Damit er Haut, Fleisch und Rippenknochen auch durchstieß ...
Gershom Chaim setzte die Klinge seines Messers von neuem an und schälte weißfaseriges Holz vom Ende des Pfahls. Ein Ast von einer Eiche war es, und es hatte ihn einige Zeit gekostet, einen solchen Baum inmitten Jerusalems zu finden, nachdem sein Entschluß gereift und gefestigt gewesen war.
Er würde nicht länger tatenlos zusehen und geschehen lassen, was das Weib und ihr scheintotes Gespons in seinem Haus trieben und seiner Familie antaten. Er würde sich ihrer erwehren und hoffentlich entledigen, nun, da er endlich die Kraft dazu gefunden hatte.
Sein Gebet, davon war Gershom Chaim überzeugt, hatte Gehör gefunden. Und Gott hatte ihn in seinem Leid und Kummer nicht alleingelassen. Er hatte ihm die Kraft geschenkt, um zu tun, was zu tun war. Sie zu nutzen, war nun seine Sache.
Der Pflock war von solcher Stärke, daß Gershom ihn mit einer Hand bequem umfassen konnte, und von der Länge seines Unterarmes. Er prüfte die Pfahlspitze mit dem Finger; ein winziger Blutstropfen trat aus der Stelle, mit er die Spitze berührt hatte.
Chaim nickte grimmig.
Das mochte genügen.
Er erhob sich von seinem Stuhl und schickte sich an, die Holzabfälle am Boden zu einem Haufen zusammenzuschieben, doch Rebecca unterbrach ihn.
»Laß nur«, sagte sie, »ich mach das schon.« Sie lächelte ihm zu, aber sie tat dabei nicht mehr, als ihre Lippen zu verziehen.
Gershom erwiderte es traurig.
Bald schon, dachte er, werden wir alle wieder aus frohem Herzen lä-cheln und lachen -
Weitere Kostenlose Bücher