Tod eines Maechtigen
Konnte er nicht vergessen. Zu großartig war, was sie ihn hatte tun lassen - und was sie mit ihm getan hatte.
Und auch Vater würde es nie vergessen. Aus ganz anderem Grunde aber . Er hielt es für Sünde, was da geschehen war. Er haßte sie dafür. Und ein kleines bißchen wohl auch seinen Sohn ... Aber -konnte so etwas Wunderbares Sünde sein? War es nicht vielmehr das Schönste auf Erden? Liebe vielleicht?
Nun, von David Chaims Seite aus gewiß.
Von ihrer aber ...? Eher nicht. Eine Frau wie sie würde sich nie-mals in einen Jungen seines Alters verlieben. Zudem sie ganz offensichtlich für einen anderen in Liebe entflammt war. Auch wenn der wie tot schien und sich nicht geregt hatte, seit sie beide in das Haus seiner Eltern gekommen waren .
Um sich abzulenken (denn schon brannte ihm wieder dieses Feuer in den Lenden), begann David damit, ein paar Obst- und Gemüsekisten hin und her zu rücken und die Ware nach Frische anzuordnen: Früchte, die in den nächsten Tagen verderben würden, legte er in Griffweite der Kunden, noch nicht ganz reife schichtete er zuunterst - »Junge?«
David sah erschrocken auf. Er hatte die beiden Männer nicht in den Laden kommen hören. Und als er sie ansah, wich das unangenehme Gefühl nicht von ihm.
Er konnte nicht sagen, was an ihnen seine Beunruhigung schürte, aber sie wirkten - nun, merkwürdig eben. Von ungesunder Blässe das Gesicht des einen, während das des anderen unsichtbar im Dunkel einer Kapuze lag, als verberge er sich in einer Höhle, und etwas umwehte beide Männer, als hätten sie einen sonderbaren Wind mit hereingebracht, der nicht von ihnen ließ.
Der mit der Kapuze hatte ihn angesprochen, und so wandte David sich nun an ihn, als er fragte: »Was kann ich für Sie tun?« Dabei wies er einladend auf die Ware in den Regalen, Körben und Kisten, die den Laden zu einem kleinen Labyrinth machten.
»Mit nichts von all dem«, erwiderte der seltsame Fremde. Er trat einen Schritt näher. Dabei klimperte etwas an seinem Gürtel, als trage er schwere Münzen in dem daran befestigten Säckchen. Der Ton schien David fast melodiös .
»Womit dann?« fragte der Junge. »Wir verkaufen nur Obst und Gemüse .«
»Ich will den Kelch!« Der Fremde sprach in so herausforderndem Ton, als erwarte er, daß der Junge sich automatisch weigern würde, ihm zu geben, wonach er verlangte.
Der aber wußte nicht einmal, wovon der andere sprach!
»Ich verstehe nicht ...«, sagte David, die Stirn kraus ziehend.
»Der Kelch befindet sich in diesem Haus, ohne jeden Zweifel«, beharrte der Fremde. »Gib ihn uns, und wir gehen.«
»Wie kann ich Ihnen etwas geben, das ich nicht habe?« David wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Fremde begann ihn regelrecht zu ängstigen.
Der zweite Mann, mit fast jugendlichem Gesicht und widerspenstigem Blondschopf, trat hinzu, richtete seine Augen auf den Jungen und starrte ihn eine endlose Sekunde lang so intensiv an, als dringe sein Blick durch Haut und Fleisch bis in die verborgensten Winkel seines Geistes. Dann sagte er zu seinem Begleiter: »Er sagt die Wahrheit. Er kennt den Kelch nicht.« Er zögerte, ehe er weitersprach: »Aber jemand hat seinen Geist beeinflußt - nach unserer Art!«
»Ein weiterer Vampir?« entfuhr es dem anderen erschrocken. »In diesem Haus?«
David zuckte zusammen. Nicht des Wortes Vampir wegen, sondern weil er aus einem völlig irrationalen Grund heraus plötzlich um das Wohl der schönen Besucherin - der Frau seiner Träume! -fürchtete.
Dem Fremden war die Regung des Jungen nicht entgangen.
»Führe uns zu der Person, an die du denkst«, forderte er ihn auf.
»N-nein, das tu i-ich nicht.« David schüttelte heftig den Kopf, zitterte aber wie Espenlaub.
»Tu es!« befahl der andere - während er selbst etwas tat, das David zutiefst entsetzte! Er ließ den Jungen in die Abgründe des Wahnsinns schauen, indem er dessen Gedanken anrührte.
Hätte er seine Hypnosekraft vollends wirken lassen in Davids Kopf, hätte er den Geist darin auf ewig geschädigt. Denn stand ein Mensch erst einmal im geistigen Bann eines Vampirs, konnte kein anderer ihn brechen, ohne die betreffende Person in Irrsinn den zu stürzen.
Deshalb verzichtete Remigius darauf, den Knaben solcherart zu beeinflussen, sondern verlangte nur noch einmal eindringlichst: »Geh voran!«
Schweigend wandte der Junge sich um, zitternd vor Angst, die an Panik grenzte, und ging.
Remigius und Pascal folgten ihm.
*
Rahel schrie vor Erschrecken auf und
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