Tod Eines Mäzens
Hauptverdächtigen befangen herumschoben.
LIII
Ich hatte den Raum als offenes Quadrat angeordnet, mit Sitzgelegenheiten aller Art, die ich mir aus anderen Zimmern geborgt hatte; sie standen an allen vier Seiten, zur Mitte hin ausgerichtet.
Petronius, Fusculus und ich blieben zusammen an dem, was man als Thronende dieses Audienzsaales betrachten konnte, stehen und häuften eine beeindruckende Ansammlung von Notiztafeln (die meisten irrelevant, aber sie sahen bedrohlich aus) auf die leeren Stühle. Helena nahm etwas weiter rechts von uns Platz, auf sittsame Weise leicht von uns entfernt. Sie legte diverse Schriftrollen neben sich, in zwei großen Stapeln und einem kleineren. Die Bänke uns direkt gegenüber waren frei gelassen worden, um später benutzt zu werden, wenn wir Zeugen aus der anderen Bibliothek hereinriefen. Aelianus, in seiner frischen weißen Tunika, stand an der Verbindungstür, bereit, Passus Bescheid zu sagen, wenn er jemanden hereinschicken sollte.
Um die Ecke von Helena, auf der rechten Seite, hatte ich alle platziert, die familiäre Verbindungen mit dem Toten hatten. Lysa und Vibia, seine beiden Frauen, umarmten sich mit gedämpftem Schluchzen und klammerten sich aneinander, bildeten demonstrativ eine Einheit als trauernde Witwen. Bei ihnen waren Diomedes, an der Seite seiner Mutter, und Lucrio, der sich neben Vibia hinplumpsen ließ, als könnte er es nicht ertragen, bei Lysas lästigem Sohn zu sitzen. Diomedes starrte ins Leere. Er sah wie üblich überflüssig aus, wie die permanente Zweitbesetzung in einem Theaterstück. Zuerst saß Lucrio mit grimmig verschränkten Armen da, entspannte sich aber bald und wurde er selbst und säuberte sich die Zahnlücken mit einem goldenen Zahnstocher.
Auf der linken Seite saßen die Autoren: Turius, Scrutator , Constrictus und Urbanus. Ich betrachtete sie, als sie nicht zu mir schauten. Turius, rausgeputzt mit einer weiteren brandneuen Tunika und schicken Sandalen. Scrutator , immer darauf erpicht, jemandes Blick aufzufangen und eine langweilige Geschichte vom Stapel zu lassen. Constrictus, der es unbedingt vermeiden wollte, mit Scrutator zu reden, und bereits jetzt seinen Alkoholpegel dringend wieder auffüllen musste. Urbanus, der einfach nur ruhig dasaß, damit er alles in sich aufnehmen konnte. Zu ihnen hatte sich Euschemon, der Verwalter des Schriftrollenladens, gesetzt, war gerade unauffällig durch den Korridor vom Skriptorium hereingeschlurft.
Selbst nachdem es mir gelungen war, allen ihre Plätze zuzuweisen, wirkte die hohe griechische Bibliothek trotz der vielen Menschen immer noch ziemlich leer. Dieser kühle, stille Raum, der sich jetzt allmählich erwärmte, war vermutlich nie so voll gewesen. Die dreistufigen weißen Marmorsäulen ragten hoch über uns zwischen den mit Schriftstücken voll gestopften endlosen Fächern auf. Sonnenlicht sickerte sanft durch die hoch unter der Decke angebrachten Fenster herein, Staubflocken tanzten in den Lichtstrahlen. In der Mitte des geschmackvoll gefliesten Bodens befand sich das runde Mosaik, auf dem der tote Chrysippus gefunden und das offenbar nur schlampig geputzt worden war, denn auf den Steinchen und in den Fugen waren immer noch schwache Blutspuren zu sehen. Ohne Kommentar holte ich einen gestreiften Läufer und breitete ihn über das Mittelmotiv, um die Flecken zu verdecken.
Das allgemeine Gemurmel hörte abrupt auf. Einen verrückten Augenblick lang wurde ich an das letzte Mal erinnert, als ich mich an ein geladenes Publikum gewandt hatte – im Auditorium des Maecenas bei meiner Lesung mit Rutilius Gallicus. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, die Sache diesmal wesentlich besser in der Hand zu haben. Ich war hier der Profi.
Petronius, der immer noch seine Stimme schonte, nachdem Bos ihn fast erwürgt hatte, überließ mir die Führungsrolle. Ich brauchte keinen Text. Und ich hatte die unmittelbare Aufmerksamkeit des Publikums, sobald ich zu sprechen begann.
»Freunde, Römer, Griechen – und Briten –, ich danke euch, dass ihr alle gekommen seid. Auf traurige Weise erinnert es mich an einen Abend im letzten Monat, als ich Aurelius Chrysippus zum ersten Mal begegnet bin. Bei der Gelegenheit übernahm er die Einführung, doch heute habe ich diese Ehre. Mein Name ist Didius Falco; ich leite die Ermittlungen zu Chrysippus’ gewaltsamem Tod. Ich tue das als Berater der Vigiles« – ich machte eine höfliche Geste –, »in der Hoffnung, Trost und Gewissheit für seine
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