Tod Eines Mäzens
Vorliebe für schicke Dinge. Vielfarbige Stickereien waren am Halsausschnitt seiner fein gewebten Tunika und an dem einen offenen Ärmel zu sehen. Noch aus sechs Fuß Entfernung konnte ich seine Haarpomade riechen. Er war rasiert und ganz formell in eine Toga gekleidet. Ich war barfuß, ohne Gürtel und absolut unrasiert, was mir das Gefühl gab, ein Grobian zu sein.
»Sie untersuchen den Tod meines Mannes«, begann Lysa, und ohne darauf zu warten, ob ich dem zustimmte, fuhr sie fort: »Diomedes, sag ihm, wo du heute warst.«
Der Sohn trug gehorsam vor: »Ich hatte den ganzen Tag im Tempel der Minerva zu tun.«
»Danke«, sagte ich kühl. Sie warteten.
»Ist das alles?«, fragte Diomedes.
»Ja. Im Moment.« Er war verwirrt, blickte aber erst mal zu seiner Mutter, zuckte dann mit den Schultern und wollte gehen. Als Lysa Anstalten machte, sich ihm anzuschließen, hob ich die Hand, um sie aufzuhalten.
Ihr Sohn schaute sich um. Mit einer ungeduldigen Geste gab sie ihm zu verstehen, dass er vorausgehen sollte. »Warte draußen bei der Sänfte, Liebling.« Er gehorchte. Offenbar war er es gewohnt, herumkommandiert zu werden.
Ich wartete, bis er außer Hörweite war, ging dann hinaus auf die Veranda, sah nach und schloss die Haustür.
Lysa betrachtete mich neugierig. »Sie sollten sich dafür interessieren, wo die einzelnen Leute waren.« Jupiter, war die herrisch.
»Tu ich auch.«
»Aber Sie haben meinen Sohn nicht befragt!«
»Wozu auch, Gnädigste. Sie haben ihm seine Antworten ja gut genug eingebimst.« Falls sie rot wurde, war es nicht zu erkennen. »Keine Bange. Ich werde schon feststellen, wie Ihr Sohnemann sich amüsiert hat, während sein Vater zu Tode geprügelt wurde. Andere werden sich beeilen, mich darüber aufzuklären, denke ich.«
»Vibia!«, schnaubte sie. »Ich würde ja gern wissen, was die heute Morgen gemacht hat.«
»Auf jeden Fall nicht Chrysippus ermordet«, erwiderte ich. »Zumindest nicht persönlich. Außerdem wurde mir gesagt, die beiden seien ein sich treu ergebenes Paar gewesen.« Daraufhin lachte Lysa heiser. »Ach? Hatte die junge Witwe einen Grund, ihn loswerden zu wollen, Lysa?« Lysa war klug genug zu schweigen, also beantwortete ich die Frage selbst. »Sie bekommt das Skriptorium. Das bringt ganz schön was ein.«
Lysa schaute mich erstaunt an. »Wer hat Ihnen denn das erzählt? Mit Schriftrollen lässt sich kein Geld verdienen.«
Diese Frau hatte Chrysippus angeblich geholfen, sein Geschäft aufzubauen. Also wusste sie vermutlich Bescheid. »Ihr Mann war doch sicher wohlhabend? Als Mäzen der Literatur muss er das gewesen sein.«
»Aber das Skriptorium hat das nicht abgeworfen. Und mehr kriegt die kleine Kuh nicht. Vibia weiß das genau.«
Ich dachte noch darüber nach, als Helena beiläufig fragte: »Wir haben gehört, wo Ihr Sohn heute war. Und wo waren Sie, Lysa?«
Ihre Angaben klangen wirklichkeitsnäher. Im Gegensatz zu Diomedes mit seiner Tempelgeschichte tischte Lysa uns eine komplizierte Liste von Besuchen bei alten Freunden, Gegenbesuchen anderer Freunde, einem geschäftlichen Treffen mit einem Freigelassenen der Familie und einem Gang zur Schneiderin auf. Ein voll gepackter Tag, und wenn die aufgeführten Leute alle bestätigten, was sie gesagt hatte, war an ihrem Alibi nicht zu rütteln. Es würde eine Heidenarbeit sein, dieses verschlungene Muster zeitlich genau zu verfolgen und die vielen Beteiligten zu vernehmen. Vielleicht verließ sie sich darauf.
Helena schlug das Bein über, beugte sich hinunter und schwenkte eine Puppe in Julias Richtung. »Wir bedauern Ihren Verlust. Mir wurde gesagt, Aurelius Chrysippus und Sie seien jahrelang zusammen gewesen. Und Ihre Unterstützung war für ihn unschätzbar – nicht nur im häuslichen Bereich?«
»Ich habe den Mann zu dem gemacht, was er war, meinen Sie wohl!«, zischte Lysa zwischen offensichtlich zusammengebissenen Zähnen. Sie war stolz auf das Erreichte. Ich zumindest glaubte ihr das.
»So sagt man«, erwiderte Helena. »Das Problem ist nur, dass die gemeine Gerüchteküche behaupten könnte, der Kontrollverlust über das Geschäft, das Sie mit aufgebaut haben, hätte Sie möglicherweise dazu gebracht, Gewalt anzuwenden.«
»Verleumdung.« Lysa wies diesen Hinweis ruhig ab. Ich fragte mich, ob sie die Leute verklagen würde. Oder war sie so willensstark, diese Art von Klatsch einfach zu ignorieren? Willensstark, entschied ich. Das Spektakel eines Gerichtsverfahrens würde mehr Schaden anrichten als
Weitere Kostenlose Bücher