Tod Eines Mäzens
würdevolles Schweigen. Und auf diese Weise konnte niemand prüfen, ob der Klatsch zutraf oder erlogen war.
»Natürlich sind wir angeblich eine paternalistische Gesellschaft«, sinnierte Helena. »Aber unsere Geschichte wird von Männern geschrieben, die vielleicht den Part, den Frauen im wahren Leben spielen, unterschätzen. Die Kaiserin Livia war, wie allgemein bekannt ist, während der jahrzehntelangen Regierungszeit ein Fels für Augustus. Er gestattete ihr sogar, sein Siegel auf Staatsdokumenten zu benutzen. Und bei den meisten Familienunternehmen spielen Mann und Frau gleichwertige Rollen. Selbst in unserem, Falco!«
Helena mochte zwar lächeln, aber unseres war ein Familienunternehmen, in dem der Mann wusste, wann er demütig auszusehen hatte.
Lysa hatte zu dieser philosophischen Rede nichts zu sagen.
»Also«, schoss Helena ihren Pfeil in demselben trügerisch ruhigen Ton ab, »wenn Vibia das Skriptorium erbt, wer bekommt dann den Rest?«
Lysa war ihr durchaus gewachsen. »Oh, das wird sich erweisen, wenn das Testament verlesen wird.«
»Gutes Ausweichmanöver«, höhnte ich. »Sie wissen doch sicher, was da drinsteht.«
Lysa besaß offenbar das Geschick, sich wie ein Schilfrohr im Wind zu biegen. »Ach, das unterliegt wohl nicht der Geheimhaltung … das Hauptgeschäft wird aufgeteilt werden. Einem der Freigelassenen meines Mannes, ein uns seit vielen, vielen Jahren treu ergebener Diener, dem wir bei der Verwaltung unserer Angelegenheit absolut vertrauten, wird ein Teil davon vermacht.«
»Ich brauche seinen Namen«, sagte ich. Lysa machte eine huldvolle Geste, spuckte den Namen aber nicht freiwillig aus. »Und was wird aus Diomedes?«, wollte ich dann wissen.
»Mein Sohn wird Geld bekommen. Genug, um gut davon leben zu können.«
»Bei seinen Ansprüchen?«, fragte ich trocken. Es hatte bestimmt viel Streit wegen seiner Ausgaben gegeben, aber seine Mutter fand meine Bemerkung beleidigend. Ich hielt ihn für einen Taugenichts, und sie schien das zu merken. »Ist er zufrieden mit seinem Anteil?«
»Diomedes ist damit groß geworden, sich den von seinem Vater getroffenen Anordnungen zu fügen.«
»Und Sie, Lysa?«, fragte Helena.
»Mein Beitrag zu dem Geschäft wird anerkannt werden.«
»Was geschieht jetzt damit?«, bedrängte ich sie. Lysa war zu ausweichend, und ich war entschlossen, ihre Zurückhaltung zu durchbrechen.
»Chrysippus hat Vorsorge getroffen.« Die Frau sagte das so, als wäre für Chrysippus nur die Zukunft seines Geschäfts wichtig gewesen und nicht die Zufriedenheit seiner Erben. »Alles wird auf traditionelle griechische Weise weitergegeben.«
»Von welcher Art Geschäft reden wir eigentlich?«, wollte ich wissen. Es musste was Tolles sein, nach der Ehrerbietung zu urteilen, mit der Lysa davon sprach.
»Von der Trapeza natürlich.«
»Der was?« Ich erkannte das Griechisch. Es klang wie etwas Häusliches. Einen Moment lang entging mir die Bedeutung.
Sie schaute mich mit großen Augen an, als sollte ich das wissen. Ich hatte ein schlechtes Gefühl. Als sie antwortete, löste es sich nicht auf.
»Na, der Aurelianischen Bank.«
XVIII
Später im Bett fragte ich Helena: »Sehnst du dich jemals danach, eine ›unabhängige Frau‹ wie Junia zu sein?«
»Eine Caupona zu führen?«, sagte sie kichernd. »Mit der gewichtigen Zustimmung von Gaius Baebius?«
Mühsam verschob ich meine Füße. Nux, die eigentlich in unserem dritten Zimmer schlafen und Julia bewachen sollte, schlich sich gern zu uns herein und legte sich ans Fußende unseres Bettes. Manchmal schickten wir sie zurück, aber noch öfter gelang es Julia, aus ihrer Wiege zu klettern und hinter der Hündin herzutappen, und wir gaben einfach nach. »Irgendwas zu führen. Du würdest das sicher mindestens so gut machen wie Lysa und könntest deine eigene Bank gründen.«
»Dafür werden wir nie genug Geld haben, Marcus.«
»Ah, um einen ausgezeichneten griechischen Philosophen zu zitieren: ›Warum leiden Bankiers unter Geldmangel, selbst wenn sie es haben? – Sie haben das Geld anderer Leute!‹ Das hat Bion gesagt.«
»Natürlich dein Liebling – Bion, der sagte ›Alle Menschen sind schlecht‹. Ich bin mir nicht sicher, ob das mit dem Geldmangel der Bankiers stimmt … Also, ein eigenes kleines Geschäft«, sinnierte sie. In der Dunkelheit konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Nein; ich habe alle Hände voll mit deinen Angelegenheiten zu tun.«
»Das hört sich ja an, als wäre ich wie
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