Tod Eines Mäzens
denkt und was sie will.«
Marius und ich setzten uns nebeneinander auf eine Bank und dachten über Frauen und die Verantwortung ihrer Mannsleute nach. »Danke, dass du mir das erzählt hast, Marius. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Marius warf mir einen Blick zu, der mir sagte, ich solle es ihm überlassen.
Ich stammte aus einer Familie, deren Mitglieder es als die größte Herausforderung des Lebens betrachteten, sich als Erste in jedes Problem einzumischen. Zuerst ging ich zu meiner Mutter. Ich erklärte ihr den Grund für meinen Besuch und wurde ziemlich nervös dabei. Sie blieb erstaunlich ruhig. »Hat Anacrites schon Schritte unternommen?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Vielleicht wartet er noch ab.«
»Du weidest dich daran!«
»Das würde ich niemals tun«, sagte Mama steif.
Ich funkelte sie an. Meine Mutter fuhr damit fort, die Ecken kleiner Teigtaschen zusammenzudrücken. Sie machte das immer noch sehr geschickt. Ich dachte an sie als alte Dame, aber sie war vermutlich jünger als Papa, der damit angab, sechzig zu sein und immer noch fähig, Schankmädchen ins Bett zu zerren. Na ja, diejenigen, die das jetzt zuließen, mussten auch schon ein bisschen abgehalftert sein.
Meine Mutter war immer eine Frau gewesen, die Ohrfeigen an drei ungezogene Kinder verteilte, während sie gleichzeitig einen Topf mit Tunikafärbemittel umrührte, über das Wetter lamentierte, an einem eingerissenen Fingernagel kaute und Tratsch mit einem spannenden Unterton weitergab. Und sie konnte alles ignorieren, was sie nicht hören wollte.
»Du bereitest hier doch wohl nicht gerade sein Abendessen vor?«, murmelte ich. »Ich hoffe, er verputzt bei meiner Schwester nicht Vorspeise und Hauptgericht und kommt dann zum Nachtisch zu dir.«
»So gute Manieren«, gab Mama zurück und meinte offensichtlich Anacrites. Sie wusste, dass meine ein Kompliment nicht wert waren. »Immer dankbar für alles, was man für ihn tut.«
Darauf wäre ich jede Wette eingegangen.
Dann zwang ich mich, Maia zu besuchen, wovor mir grauste.
Er war da. Genau wie Marius gesagt hatte. Sie saßen auf Maias Sonnenterrasse und unterhielten sich. Ich hörte ihre leisen Stimmen, als ich mich selbst mit dem Ersatzriegelöffner einließ, den ich für Notfälle bereithielt. Anacrites saß auf einem Korbstuhl und wandte seinen zurückgelehnten Kopf den letzten Sonnenstrahlen zu. Maia wirkte sogar noch entspannter, hatte die Füße auf Kissen ausgestreckt und die Sandalen ausgezogen.
Er machte keine Anstalten, seine Anwesenheit zu erklären, stand aber bald auf, um zu gehen. Ich hatte ihr Stelldichein sowieso zerstört. Maia neigte nur den Kopf und ließ ihn selbst den Weg nach draußen finden. Sie verabschiedeten sich förmlich. Ich war nicht gezwungen, etwas Peinliches mitzubekommen. Ich konnte nicht mal erkennen, ob sie dieses Stadium bereits erreicht hatten. Wären sie allein gewesen, hätte er sie dann sogar zum Abschied auf die Wange geküsst?
Ich versuchte so zu tun, als wäre der Oberspion nie da gewesen. »Ich wollte dir nur sagen, dass wir Marius bei uns aufgenommen haben. Er macht sich Sorgen um seinen Welpen.«
Maia betrachtete mich mit einem Blick, der mich ein bisschen zu sehr an Mama erinnerte. »Das ist sehr lieb von dir«, meinte sie, eine stereotype Bemerkung.
»Uns macht es nichts aus.«
Sie wartete darauf, dass ich sie wegen Anacrites befragte. Ich wartete darauf, dass sie eine entsprechende Erklärung abgab, allerdings vergeblich. Wenn Maia aufhörte, unvorhersehbar zu sein, war sie einfach nur störrisch.
»Ich fürchte, der neue Hund wird ziemlich groß …« Er würde schon in kürzester Zeit größer als seine Mutter sein. »Marius ist total vernarrt in ihn. Er hat die Liebe zu Tieren zweifellos von seinem Vater geerbt. Famia fehlt ihm. Der Hund könnte ihn trösten, weißt du …«
»Ich habe bereits zugestimmt, dass er den Welpen haben kann«, erwiderte Maia ruhig. Natürlich stritten wir nicht. Aber ich kannte meine Schwester gut genug, um zu spüren, dass ihre Gereiztheit stieg.
Ich hatte mich kurz hingesetzt, nicht auf denselben Stuhl, auf dem Anacrites gesessen hatte. Jetzt erhob ich mich. »Marius fürchtet immer noch, dass du es nicht erlaubst.«
Maia war nach wie vor sehr ruhig. »Ich komme vorbei, seh ihn mir an und sag es Marius.«
»Mach das. Der Welpe ist süß; das sind sie immer … Wie läuft’s bei Papa?«
Auf neutralem Boden taute sie ein wenig auf. »Ich bekomme allmählich raus, was getan werden
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