Tod eines Mathematikers
Dunkeln, hörte hinter mir das leise Klirren der Schlüssel. Ich war eingeschlossen. Mit einem fremden Mann. Auf was hatte ich mich da eingelassen?
Einen Moment später spürte ich den Atem des Pockennarbigen im Nacken. Dann umarmte er mich von hinten, wühlte sich mit seiner Nase durch meine Haare, atmete mir ins Ohr. »Willst du immer noch?«, flüsterte er mit dunkler, sehr warmer Stimme. Stocksteif stand ich da, wie eine Puppe. Wollte ich … ja, was wollte ich eigentlich? Ich nickte.
»War das ein Ja?«, vergewisserte er sich.
Ich schwieg, nahm seine Hände. Sie waren viel größer als meine, fühlten sich rau an. »Das war ein Ja«, hörte ich mich leise sagen. Der Pockennarbige dirigierte mich sanft in Richtung Billardtisch, fand sich überraschend gut zurecht in der Dunkelheit. Wahrscheinlich war ich nicht die erste Frau, die er in diesen Raum mitgenommen hatte. Egal. Nach diesem demütigenden Neujahrsmorgen musste ich dringend mein Selbstwertgefühl aufpolieren. Ich spürte die Tischkante an meinen Beinen. Dann schoben sich seine Hände unter meinen Pulli und hakten mit einem geübten Griff meinen BH auf. Ich ließ sie gewähren. Er strich über meine Brüste, hielt sie kurz, als würde er sie begutachten. Dann wühlte er sich wieder mit seinen Lippen durch mein Haar zum Hals, wie ein Vampir. Gleich würde er mir seine Zähne in den Hals schlagen. Ich spürte das Kratzen seiner Bartstoppeln, beugte meinen Oberkörper nach vorn, stützte mich auf meine Unterarme. Der Gitarrist schob meinen Rock hoch, zog den Slip runter. Ich stand einfach nur da, stocksteif, kam mir vor wie eine Marionette. Das leise Klimpern der Metallschnalle des Koppelgürtels verriet, dass er seine Hose öffnete.
Seine Stöße waren schnell und hart. Mit beiden Händen hielt er meine Hüften. Der grüne Filz scheuerte an den Unterarmen. Es gefiel mir, dass ich den Pockennarbigen nicht sehen, sondern nur spüren konnte. Er tobte sich richtig in mir aus, scherte sich nicht darum, ob er zu grob war oder zu schnell.
Von nebenan drang Kneipenlärm zu uns rüber. Stimmen, Musik aus der Dose. Der Pockennarbige stöhnte. Er war ganz bei sich. Ich existierte nicht, war Mittel zum Zweck, wie eine Gummipuppe. Ich starrte in die Dunkelheit, während meine Hüften gegen den Tisch stießen. Morgen würde ich sicher ein paar blaue Flecken haben. Selbst jetzt, nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich nicht mal schemenhaft die Einrichtung erkennen. Die hohen Fenster mussten von innen mit schwarzer Folie beklebt sein.
Als der Pockennarbige fertig war, richtete ich mich auf, folgsam wie eine Nutte, die gewartet hatte, bis ihr Freier fertig wurde, damit er sie bezahlte. Das metallische Ratschen verriet, dass der Typ den Reißverschluss seiner Jeans wieder schloss. Wortlos richtete ich mich auf, rieb mir die Unterarme, zog meinen Slip an, hakte meinen BH zu, ordnete meine Kleider. Achtete nicht auf den Gitarristen, hörte das Reißen eines Streichholzes. Als ich mich umdrehte, erhaschte ich im Feuerschein einen Blick auf sein Gesicht, auf die Kraterlandschaft, das zottelige Haar. Dann war es wieder dunkel. Wahrscheinlich war er zufrieden. Wie ein Jäger, der ein Reh erlegt hatte. Ich hörte, wie er den Rauch inhalierte. Plötzlich kam er einen Schritt auf mich zu, fuhr mir mit einer Hand ins Haar, erwischte mein Ohrläppchen, rieb es zwischen Daumen und Zeigefinger. »Wie heißt du eigentlich?«, flüsterte er.
Ich schob ihn weg, ging wortlos zur Tür, tastete nach der Klinke. Immerhin war der Pockennarbige so freundlich gewesen und hatte den Schlüssel stecken lassen. Schweigend schloss ich die Tür auf und schlüpfte hinaus auf den Flur, ohne mich noch einmal umzudrehen.
Die Kneipe war inzwischen brechend voll. Der Rauch hatte sich wie eine Nebelwand über den Raum gelegt. Ich bahnte mir den Weg durch die Menge, hatte das Gefühl, als würden mir alle Blicke folgen. Wissend, dass ich mich gerade auf dem Billardtisch hatte vögeln lassen. Hoffentlich erkennt mich niemand und weiß, wo ich arbeite, dachte ich, während ich zur Tür des Billardzimmers schielte. Doch der Pockennarbige folgte mir nicht. Wahrscheinlich war jetzt die Blondschnepfe dran.
Im Vorbeigehen griff ich nach meinem Parka, der zusammengeknüllt auf dem Boden vor dem Tresen lag. Auf meinem Hocker saß die Blondschnepfe, die mir einen bösen Blick zuwarf. Ich machte, dass ich rauskam.
Auf der Straße war es kalt. Ich fror entsetzlich. Zum Glück fuhr
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