Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
Vom Netzwerk:
eine Gruppenaufnahme und dann noch ein Porträt von jedem?« Clooney ließ sofort von Alexandra ab. Brille und die Doppel-Doktorin schienen dankbar für die Ablenkung.
    Kurz darauf posierte das Trio so locker und unkompliziert, als stünde es jeden Tag vor der Kamera. Zwar hatte Matze den Eindruck, dass die Doppel-Doktorin seinen Hosenschlitz fixierte, aber die professionelle Tätigkeit lenkte ihn ab. Wie immer, wenn er mit seiner Kamera arbeitete, war Matze hochkonzentriert. Es machte ihm einen Riesenspaß, die Doppel-Doktorin herumzukommandieren. »Den Kopf etwas höher bitte. Noch höher. Nein, nicht zu sehr. Ja, so, genau so. Und etwas lächeln. Noch mehr. Kann ich die Zähne sehen? Ja, schön, sehr schön. Super. Suuuuper! Sie haben sehr schöne Zähne. Es geht zwar um hohe Mathematik, aber Sie wollen die Mathematik ja populär machen, nicht wahr? Je sympathischer und attraktiver Sie rüberkommen, desto besser ist es für Ihr Anliegen. Und für die Mathematik.« Die Doppel-Doktorin nickte gehorsam.
    Alexandra trocknete unterdessen ihre Tränen, zog eine Puderdose aus ihrer Handtasche, wischte sich mit dem Taschentuch die verschmierte Wimperntusche ab und puderte sich das Gesicht. Dann sah sie demonstrativ auf ihre Armbanduhr. »Wir müssen jetzt los, Matze«, drängelte sie und stand auf.
    »Gut, ich bin sowieso fertig«, antwortete Matze, drückte noch einmal auf den Auslöser und steckte seine Kamera wieder ein.
    Alexandra gab der Doppel-Doktorin und Brille artig die Hand. Sie hatte sich inzwischen wieder beruhigt.
    »Ich bringe Sie noch zur Tür«, erbot sich Clooney und führte sie über die roten Läufer wieder zum Ausgang.
    »Vielen Dank für alles«, sagte Alexandra, als Clooney ihr in den Mantel half.
    »Nichts zu danken. Das war doch selbstverständlich. Und wenn wir etwas für Sie tun können, liebe Dame Katzenstein – Sie sind hier jederzeit willkommen.«
    Und dann hauchte Alexandra diesem Typen doch tatsächlich einen Kuss auf die Wange. Mit einem Mal hasste Matze diesen Mann. Zeit zu gehen. Demonstrativ hakte er sich bei Alexandra unter und zog sie, ohne Clooney auch nur noch eines Blickes zu würdigen, nach draußen durch das riesige Portal.
    Kaum waren die beiden außer Sichtweite, zog Prof.   Dr.   Ansgar Freitag sein Handy aus der Innentasche seines Sakkos, drückte eine Taste und flüsterte hektisch ins Telefon.
    *
    Er ist in ihrer Wohnung. Alles unordentlich. Chaotisch, geradezu. So hat er sich das vorgestellt. Schlampe. Auf dem Boden im Schlafzimmer liegen überall Klamotten. Er geht in ihr Arbeitszimmer. Stapel mit vergilbten Zeitungen, wie man es bei einer Journalistin erwartet. Auf dem Schreibtisch Stifte, Notizen, ein Becher Kaffee, halb leer. Ihren Laptop hat sie mitgenommen. Schade. Ein großes Bücherregal. Viel von T.   C.   Boyle und Anne Tyler. Wahrscheinlich ihre Lieblingsautoren. Ein bisschen Geschichte, das meiste über die NS-Zeit. Typisch. Rechtsmedizin und Presserecht. Keine Krimis. Er geht ins Wohnzimmer. Plötzlich. Eine Bewegung am Fenster. Eine Katze. Sie hat eine Katze. Mit schreckgeweiteten Augen starrt das Tier ihn an. Egal. Katzen können nicht reden. Die Katze hat ein rotes Fell. Wie sein Frauchen.
    Aber als er die Hand nach ihr ausstreckt, um sie zu streicheln, springt sie von der Fensterbank und flitzt unters Bett.
    Er geht ins Badezimmer. Überraschend sauber. Klein, aber fein. Grauer Granitstein auf dem Fußboden. Eine Badewanne. Auf dem Wannenrand ein leeres Sektglas. Hier liegt sie also nach Feierabend und entspannt sich. Ob sie es sich manchmal in der Badewanne besorgt? Nachdem sie sich zwischen den Beinen rasiert hat? Rasiert sie sich überhaupt?
    Ein schmales Regal aus Metall und Glas. Gott, warum brauchen Frauen immer so viel Zeugs? Er nimmt einen rosafarbenen Flakon aus dem Regal. Ihr Parfüm. Er drückt auf den Zerstäuber. Ein feiner Nebel. Eine süßliche Note. Passt gar nicht zu ihr. Eine grüne Zahnbürste in einem blauen Becher. Daneben Zahnpasta. Er nimmt die Zahnbürste, trägt Zahnpasta auf, putzt sich die Zähne. Gründlich, in aller Ruhe. Er spült seinen Mund mit Wasser aus, gurgelt. Dann stellt er alles ordentlich an seinen Platz zurück. Er geht in die Küche. Dreckiges Geschirr. Er öffnet den Kühlschrank. Joghurt, Milch, Käse, Tomaten im Gemüsefach. Ist sie etwa Vegetarierin? Dann nimmt er sich das Schlafzimmer vor. Das Bett ist zerwühlt. Bettwäsche aus roter Seide, dazu ein schwarzes Laken. Wie im Puff. Hier treibt sie es also.

Weitere Kostenlose Bücher