Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
Vom Netzwerk:
›Freund‹ hatte sie gesagt.
    »Also, es gibt Leute, die führen Operationen am Gehirn durch. Oder am offenen Herzen. Es gibt welche, die erforschen irgendwelche Flüssigkristalle, und hinterher kriegst du einen flachen Fernsehbildschirm. Das ist toll. Und dann gibt es welche, die beschäftigen sich mit Technomathematik und machen mal eben die Energiewende klar. Technomathematik … Bis vor einer Stunde wusste ich nicht mal, dass es das überhaupt gibt.« Alexandra schob sich noch so ein glitschiges Fischteil in den Mund, konnte offenbar nicht genug kriegen von Sushi. Und vom Wein auch nicht. Kaum war ihr Becher leer, schenkte sie nach.
    »Siehste!«, gab Matze zurück. »Man lernt als Journalist täglich dazu. Und wenn du jetzt darüber schreiben müsstest, würdest du es auch verstehen.«
    Alexandra blähte die Wangen, sah aus, als würde sie gleich losprusten. Doch sie blieb stumm.
    »Nee, jetzt mal ganz im Ernst, Alexandra: Es gibt wirklich unangenehmere Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Kannste sagen, was du willst. Ich meine, manche schuften im Schlachthof oder putzen das Bahnhofsklo …«
    »Tja, hätten sie halt in der Schule besser aufgepasst …«, grinste Alexandra.
    »Manche versauern in tristen Büros, haben irgendwelche todlangweiligen Sachbearbeiterjobs, machen tagaus, tagein denselben Scheiß …«
    »Augen auf bei der Berufswahl …« Alexandras Becher war schon wieder leer. Sie war eindeutig beschwipst. Konnte halt nichts ab, dieses zarte Pflänzchen.
    »Es soll sogar Leute geben, die nach zwei Semestern Theaterwissenschaften in die Politik gehen müssen, weil’s für was anderes nicht reicht.«
    Alexandra sah Matze an. »Was für ein tragisches Schicksal!«, prustete sie los. Matze fiel ein. Sie lachten so laut, dass eine Frau, so eine Eppendorf-Schickse mit blondem Ballerina-Knoten und Pferdegebiss, böse Blicke in ihre Richtung abfeuerte. Ein Bierchen wär jetzt wirklich nicht schlecht, dachte Matze und freute sich, dass Alexandras Laune sich besserte. Er hatte schon befürchtet, dass sie die ganze Zeit Trübsal blasen würde.
    »Trotzdem, irgendwie haben wir doch einen minderwertigen Beruf«, maulte Alexandra weiter.
    Matze glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Bitte? Minderwertiger Beruf? Spinnst du jetzt komplett? Es gibt keine minderwertigen Berufe! Praktisch jeder Beruf ist wichtig. Jeder Beruf hat seine Würde. Na ja, außer vielleicht Banker …«
    Alexandra legte ihm die Hand auf den Arm. »Beruhige dich, mein Freund …« Dass sie ihn schon wieder als Freund bezeichnet hatte, war ihm nicht entgangen. »Das war relativ gemeint.«
    »Wie jetzt, relativ?«, hakte Matze nach.
    »Relativitätstheorie«, antwortete Alexandra. »Immerhin bin ich die Tochter eines Mathematikers. Bitte, vergiss das nicht«, kicherte sie albern und zog ihre Hand wieder zurück.
    »Nee, jetzt mal im Ernst, Matze. Wenn ich zum Beispiel bedenke, was diese Mathematiker so treiben, kommt mir das, was wir machen, ziemlich armselig vor. Klingeln bei Angehörigen von Mördern, fragen, ob sie nicht mal mit uns über das schwärzeste Schaf in ihrer Familie reden wollen. Also wirklich – geht gar nicht.« Alexandra schüttelte den Kopf.
    »Aber irgendwie muss man ja sein Geld verdienen. Für mehr reicht es eben nicht, so what«, gab Matze ungerührt zurück.
    »Ich will aber nicht doof sein«, antwortete Alexandra trotzig. »Ich meine, das gibt es doch gar nicht, dass mein Vater der totale Mathecrack war und ich kapier absolut nichts davon. Ich bin doch seine Tochter. So was müsste sich doch vererben, zumindest ein bisschen.«
    »Nun mach aber mal halblang«, sagte Matze. »Du bist doch nicht doof, nur weil du keine Ahnung von Mathe hast. Dafür kannst du schreiben. Mathe ist viel Formelwissen, das man stumpf anwenden muss. Schreiben ist kreativ. Du schaffst mit jedem Artikel – und sei er nur über eine langweilige Pressekonferenz – ein Unikat. Vielleicht kommst du mehr nach deiner Mutter.« Scheiße. Das war ihm rausgerutscht. Ihre Mutter. Ihr wunder Punkt. »Sorry, ich wollte nicht …«
    »Schon gut, Matze, schon gut«, winkte Alexandra ab. Matze machte nähere Bekanntschaft mit einem Stück rohem Thunfisch und bestellte sich noch eine Bionade mit Holundergeschmack.
    »Also, über die mathematischen Fähigkeiten meiner Mutter ist mir nichts bekannt«, sagte Alexandra nach einer Weile. »Sie war ein richtiger Putzteufel, ging im Haushalt auf. Robbte in Kittelschürze über den

Weitere Kostenlose Bücher