Tod eines Mathematikers
nennt man Stalking, Cyberstalking. So etwas ist strafbar.«
»Äh, was, äh, also …«, stammelte Mohr.
»Nun tun Sie bitte nicht so unschuldig. Sie sind ein gebildeter Mensch. Sie verfolgen Alexandra Katzenstein im Netz.« Harry stand vor Mohr, breitbeinig, die Arme vor der Brust verschränkt. Man sah ihm an, dass er in seinem Element war.
Mohr sog die Luft scharf ein, blickte noch immer zu Boden. »Das war mir nicht bewusst … Ich wollte nur … Ich habe Mathe studiert und nicht Jura.«
»Ich hab schon bessere Ausreden gehört«, blaffte Matze ihn an.
»Es geht nicht darum, was Sie wollen«, sagte Harry und zuckte mit dem Kopf. »Also los …«
Mohr hatte verstanden, nickte, ging zum Rechner, loggte sich bei Facebook ein, löschte seinen Account und mit ihm die Gruppe, die ihm helfen sollte, Alexandra zurückzugewinnen.
»So ist’s brav«, lobte Harry ihn wie ein Hund, der seinem Herrchen das Stöckchen gebracht hatte. »Und ich warne Sie. Sollten Sie Frau Katzenstein noch einmal, in welcher Form auch immer, belästigen, kriegen Sie eine Anzeige. Und wegen der Sache mit dem Einbruch meldet sich die Kripo noch bei Ihnen.« Harrys Stimme hatte ein gefährliches Timbre angenommen.
Mohr nickte betreten, ohne Harry anzusehen. Dann begleitete er die beiden zur Tür. »Richten Sie Frau Katzenstein aus, dass es mir leid tut«, sagte er zum Abschied.
Harry und Matze reagierten nicht auf seine Bitte, verließen grußlos die Wohnung.
»Was für ein Spinner«, sagte Harry zu Matze, als sie wieder im Auto saßen.
»Das kann man wohl laut sagen«, pflichtete Matze ihm bei.
»Und weißt du was?«, sagte Harry. »Der meint das ernst. Der hat wirklich kein Gefühl dafür, was geht und was nicht. Der glaubt glatt, eine Frau fühlt sich geschmeichelt, wenn man sie bei Facebook um Liebe anbettelt.«
Matze nickte. »Ein Spinner, kaum Erfahrung im Umgang mit Frauen, glücklich, dass sich so ein Volltreffer wie Ali für ihn zu interessieren scheint. Aber mein Bauchgefühl sagt mir noch was …«
Harry sah Matze an. »Und das wäre?«, wollte sein Kumpel wissen.
»Der hat weder was mit dem Tod von Katzenstein noch mit dem Tod von Nicole Wollenbeck zu tun. Wie arglos der uns in die Wohnung gelassen hat … So reagiert niemand, der kein reines Gewissen hat.«
»Habe ich auch schon gedacht«, antwortete Harry.
»Oder der ist besonders gerissen und abgebrüht.«
*
Liebe Alexandra, ich möchte mich in aller Form bei Dir entschuldigen. Zwei Herren von der Polizei waren eben hier. Gefährderansprache – das Wort hat mir einen richtigen Stich versetzt. Ja, das war eine Scheißidee, eine Gruppe auf Facebook zu gründen. Ich wollte Dir imponieren, konnte doch nicht ahnen, dass mir das so aus dem Ruder laufen würde. Herrje, ich bin halt in solchen Dingen ziemlich ungeschickt. Wie auch immer: Ich hoffe, Du kannst mir verzeihen. Ich wollte Dir keinen Schrecken einjagen, wusste nur einfach nicht, wohin mit meinen Gefühlen. Ich schäme mich. Ich bin ein Vollidiot. Aber einer, der Dich liebt. Fabian.
Was sollte ich davon halten? Ich schob auch diese Mail in den Papierkorb. Als ich sah, wer mir noch gemailt hatte, fing mein Herz wie wild an zu klopfen.
Liebe Alexandra, wir müssen uns unbedingt sehen. Es gibt etwas, das ich mit Dir bereden möchte. Bitte melde Dich. Deine Katja.
*
Martina Fittkau weinte. Sie hatte ihre Hände vors Gesicht geschlagen und schluchzte hemmungslos. Matze und Harry sahen sich an. War das ein Trick? Harry machte mit der Hand eine beschwichtigende Bewegung, für Matze ein Zeichen, nichts zu sagen, sondern Nicoles Freundin einfach heulen zu lassen. Abzuwarten, was sie ihnen erzählen würde.
Nach einer Weile zog Martina Fittkau geräuschvoll die Nase hoch, was so gar nicht zu dieser gepflegten Businesstante passte, und nahm die Hände vom Gesicht. Ihre Schminke war verlaufen, die Augen rotgeädert. Matze reichte ihr ein Taschentuch. Martina Fittkau bedankte sich und schnäuzte ins Tempo.
»Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, schniefte sie. »Ich habe gelogen. Neulich bei unserem Gespräch. Und damals bei der Kripo. Aber Albert hatte mir das eingeschärft.«
»Albert?« Matze verstand nicht gleich.
»Professor Dr. Albert Katzenstein«, half ihm Harry auf die Sprünge. »Sie duzten sich also mit dem Professor?«
Martina Fittkau nickte. »Natürlich nicht an der Uni, sondern nur privat. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Nicht so ganz«, quälte Harry sie.
Martina Fittkau senkte
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