Tod eines Mathematikers
Privatdetektiv. Ich hätte Dir sofort davon erzählen müssen. Warum ich es nicht getan habe? Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich mich ohrfeigen könnte, weil ich mich so dämlich angestellt habe. Ich vermisse Dich. Und bin traurig über dieses Missverständnis. Lass uns reden. BITTE. Fabian.
Ich schob die Mail in den Papierkorb. Wem sollte ich noch trauen?
*
Kossek grinste. Er war auf der Facebook-Seite von Alexandra Katzenstein. Sie besaß, wie viele Journalisten, ein offenes Profil, das für alle Welt einsehbar war. Schließlich wollte sie ja Leser gewinnen. In der letzten Zeit hatte Kossek sie oft auf ihrer Seite besucht, um zu sehen, was sie so trieb. Aber anders als viele Leute, die jeden Furz per Facebook in die Welt hinausblähten, gab Alexandra nichts Persönliches von sich preis. Schrieb niemals, was sie privat unternommen hatte oder wo sie gewesen war. Kossek verstand das gut, fand es aber schade. Er hätte gerne mehr über sie erfahren. Doch Alexandra postete nur die Überschriften ihrer Artikel: Mord in Neustadt – lest heute im Weserblick , warum ein Sohn seine Mutter tötete. Sie hatte ihren Account so eingestellt, dass ihr jeder Facebook-Nutzer etwas auf die Seite schreiben konnte. Genau das wurde ihr jetzt zum Verhängnis. Ein gewisser Fabian Mohr aus Hamburg hatte eine neue Gruppe gegründet: Alexandra Katzenstein – ich liebe Dich. Komm zurück zu mir!
Binnen weniger Tage hatte er über zweihundert neue Mitglieder gewonnen. Alle Achtung. Und seine Anhänger, hauptsächlich Männer, verewigten sich jetzt auf der Facebook-Seite von Alexandra Katzenstein. Kehre sofort zu Fabian zurück, schrieben sie. Wir wollen Freibier auf eurer Hochzeit saufen. Oder: Alexandra, wie konntest du Fabian nur verlassen? Werde vernünftig. Eine Frau tut, was ein Mann sagt.
Unglaublich, wie viele Verrückte es gab, dachte Kossek. Alexandra hatte offenbar noch gar nicht bemerkt, was auf ihrer Seite los war.
Kossek klickte sich auf die Seite von Fabian Mohr. Als er das Foto sah, wurde sein Grinsen noch breiter. Der Typ aus dem Scusi . Soso, Alexandra hatte die männliche Vogelscheuche also abgesägt, dachte Kossek schadenfroh. Begierig las er die Infos, die Mohr über sich ins Netz gestellt hatte. Doktor der Mathematik. Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Spinner.
Ein paar Frauenrechtlerinnen hatten Mohrs Gruppe allerdings auch schon entdeckt und bitterböse Kommentare gepostet. Anzeigen sollte man dich, du Schwein, wetterte eine Frau. Das ist Cyberstalking, was du da treibst. Hoffentlich erstattet Alexandra Anzeige. Ein NEIN ist ein NEIN.
Gott, was für ein Kinderkram, dachte Kossek. Aber solange diese Aktion Alexandra bekannter machte und dem Weserblick ein paar neue Leser schickte, sollte ihm das nur recht sein.
*
Matze schluckte, als er auf Alexandras Facebook-Seite ging. Kommentare über Kommentare. O Gott, dachte er. Der Typ, dieser Mohr, ist ja wirklich verrückt. Insgeheim hatte er geglaubt, dass Alexandra übertreiben würde, als sie ihm und Harry von diesem Mathefuzzi erzählt hatte. Nun war er sich nicht mehr so sicher.
»Ali?«
»Mmmmmh.«
Die Katzenstein saß an ihrem Schreibtisch, grübelte über einem Artikel.
»Guck mal bitte auf deine Facebook-Seite. Und erschrick nicht.«
Alexandra hob ihren Blick und sah Matze an. Sie stand auf, kam direkt zu ihm herüber. »O nein, dieser Spinner.« Sie machte ein paar Screenshots auf Matzes Rechner und löschte ihren kompletten Facebook-Account.
»Du musst ihn anzeigen«, riet Matze.
Alexandra schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber mein Vertrauen in die Polizei ist nachhaltig erschüttert. Für die bin ich doch nur die spinnerte Tochter, die sich nicht damit abfinden will, dass ihr Vater Selbstmord begangen hat. Und Mohrs Aktion auf Facebook ist wahrscheinlich noch nicht mal strafbar. Ich setze jetzt auf private Ermittler.«
»Hä, hast du eine Privatdetektei angeheuert?«
»Ja, die beste der Stadt.«
»Welche ist das?«
»Grothe & Tenge.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Erst jetzt begriff Matze. »Ach, du meinst, wir sollen uns den vorknöpfen?«
»Genau. Und zwar möglichst schnell, ihr kriegt auch beide Labskaus.«
Matze nickte. Er hatte noch nie Labskaus gegessen. Der Name verhieß nichts Gutes. Trotzdem wollte er sich von Alexandra bekochen lassen. Unbedingt. Hatte er verdient, fand Matze. Seine zickige Kollegin mit umgebundener Schürze in der Küche stehen zu sehen. Also ging er auf den Flur hinaus und rief Harry auf
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