Tod Eines Senators
waren alle ruiniert.
LII
Ich hatte vorgehabt, es für mich zu behalten. Helena zog mir alles aus der Nase. Sie schien weniger besorgt zu sein als ich, aber sie hatte auch noch nie längere Zeit in absoluter Armut gelebt. Unsere Tage in meiner alten Wohnung an der Brunnenpromenade waren für sie ein vorübergehendes Abenteuer gewesen. Die Enge, das undichte Dach und die unfreundlichen, gewalttätigen Nachbarn waren bald durch größere, ruhigere Räumlichkeiten ersetzt worden. Zwar nicht viel besser als unser erstes grässliches Nest, waren auch sie für Helena inzwischen nur noch Erinnerung.
Ich hatte es sofort wieder vor Augen. Das Ungeziefer. Die knarrenden Balken, die bei jedem schweren Schritt einzukrachen drohten. Der Dreck. Der Krach. Die Diebstähle und Prügeleien, die Krankheiten und Schulden. Die Drohungen von Mitmietern, der Rauch von wackligen Kochbänken, die schreienden Kinder. Der Uringestank im Treppenhaus – nicht alles davon aus den Bottichen in Lenias Wäscherei. Lenias besoffenes Krakeelen. Der dreckige Scheißkerl von Vermieter …
»Wenn du die Klage einfach zurückziehst und Marponius ehrlich sagst, du hättest einen Fehler gemacht, Marcus …«
»Nein. Wir kommen nicht davon.«
»Du hast den Prozess begonnen – und du musst ihn beenden, oder du wirst regresspflichtig?«
»Wir könnten natürlich die Klappe halten. Dafür sorgen, dass Calpurnia schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt wird … Damit wird aber mein Gewissen nicht fertig.«
»Außerdem«, murmelte mein vernünftiges Mädchen, »könnte jemand anders mit Beweisen kommen. Den Mund zu halten wäre zu gefährlich.«
Kurz danach schlief ich ein. Ich hielt Helena in den Armen, lächelte in ihr Haar – lächelte über den absurden Gedanken, dass dieses Vorbild an Rechtschaffenheit uns erlaubt hätte, die Wahrheit zu vertuschen, wenn sie überzeugt gewesen wäre, dass wir damit durchkommen würden. Sie lebte schon viel zu lange mit mir. Sie wurde zur Pragmatikerin.
Helena selbst musste noch viel länger wach geblieben sein. Sie wusste, wie man sich still verhält, hatte Übung darin, ihre geschäftigen Gedanken vor mir abzuschirmen. Für sie war ganz klar, dass wir, wenn wir diesen neuen Beweis nicht zurückhalten konnten, verdammt noch mal darum kämpfen würden, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Sie plante, wie das gehen könnte. Als Erstes würde sie sicherstellen, dass die Geschichte des Verwalters stimmte.
Als ich aufstand, hatte sie schon angefangen. Während es noch dunkel war, hatte sie die anderen zu sich bestellt, die Situation erklärt, ihnen befohlen, nicht in Panik zu geraten, und Aufgaben verteilt. Honorius musste heute wieder ins Gericht. Er hatte Marponius mitzuteilen, dass wir einen neuen Zeugen hatten, zu dessen Aussage wir gerechterweise noch Ermittlungen durchführen mussten, und Honorius sollte eine kurze Vertagung beantragen. Marponius würde uns vielleicht einen Tag zugestehen, mehr war unwahrscheinlich. Derweilen hatte Justinus eine volle formelle Aussage des Verwalters aufzunehmen. Aelianus sollte erneut den Beerdigungsunternehmer Tiasus aufsuchen. Helena hatte die alten Fallnotizen durchgesehen und entdeckt, dass man uns ursprünglich mitgeteilt hatte, beim Begräbnis von Metellus hätten »Spaßmacher«, Plural, auftreten sollen. Aelianus sollte herausfinden, wer die anderen waren, und sie fragen, ob sie irgendwas über die Hintergrundermittlungen wussten, die der ermordete Spindex durchgeführt hatte, bevor er von Verginius Laco ausbezahlt worden war.
»Frag vor allem nach, wer der Ermittler war, den Spindex benutzte«, instruierte sie Aelianus gerade, als ich an den Frühstückstisch kam. Er wich ihrem Blick aus und betrachtete mich von oben bis unten. Ich hatte den langsamen Gang eines Mannes, der sich einer Katastrophe stellen muss. Helena sprach weiter, während sie frisches Brot vor mich hinstellte. »Die Vigiles haben nicht herausgefunden, wer Spindex ermordet hat, sonst hätte Petronius es uns bestimmt erzählt, aber du kannst im Wachlokal nachfragen, wenn du Zeit dazu hast, Aulus.«
»Erzähl Petro nicht, dass wir Idioten waren«, sagte ich.
Die drei jungen Männer starrten mich an. Sie standen ebenfalls unter Schock.
»Petro ist nicht dämlich«, meinte Aelianus düster. »Der kriegt das schon selber raus.«
»Denkt einfach nicht an die Strafe«, riet Helena allen ruhig. »Wir müssen weitermachen, alles sorgfältig doppelt überprüfen. Nur weil wir sagen, wir
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