Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
besser als den diskreten Einbrecher zu geben.«
Doch Nick nahm eine Kombizange aus dem Kasten und zwei Schraubenzieher.
»Ich käme so gerne mit«, sagte Anni.
»Du passt auf die Knutschkugel auf«, sagte Vera, »vielleicht bringen wir Gerry mit.« Glaubte sie das wirklich?
Es hatte der Augenblick kommen müssen, an dem Nicks alter Golf nicht ansprang. Hatten sie nicht oft schon bangen Herzens auf diesen Motor gehorcht, wenn er sich bemühte weiterzumachen? In entscheidenden Momenten?
In diesem Moment gurgelte er nur noch und verschied.
»Ich kauf dir ein neues Auto«, sagte Vera. Sie war manchmal wenig diplomatisch in ihrer Großzügigkeit.
»Kommt gar nicht infrage«, sagte Nick. Er stand schon am Straßenrand und hielt nach einem Taxi Ausschau.
Wenigstens hatte er den Werkzeugkasten nicht dabei.
Warum hatte Nick es auf einmal so eilig, wo er doch hatte abwarten wollen. Den flatterhaften Gerry abwarten.
Weil er viel auf Annis Instinkte gab?
Oben im vierten Stock stand Anni auf dem Balkon.
Um die letzten verbliebenen Margeriten in den Kästen war eine Lichterkette gelegt.
Dunkel genug, die Jahreszeit.
Wenn sie nur nicht noch dunkler wurde. Anni winkte hinunter und hoffte, eine Art Segen zu geben.
Pit hatte Ages Eltern zum Hotel Reichshof gefahren.
Vielleicht sollte er doch Kolp bitten, Trost zu spenden. Wer konnte das besser tun als einer, der es selbst durchlebt hatte. Ein Kind zu verlieren. Und sei es noch so groß.
Er traf den kleinen Herrn Kolp auf der Treppe, als Pit dabei war, in den vierten Stock zu steigen. Eine großgewachsene junge Frau neben Kolp.
»Evangelias Nichte«, sagte Kolp, »Dora.«
Sollte der siebzigste Geburtstag von Evangelia nicht erst am kommenden Sonntag sein?
»Dora hilft vorzubereiten«, sagte der kleine Herr Kolp.
Den Herrn Hauptkommissar traf kein Blitz.
Doch die Griechin aus Köln gefiel ihm. Vermutlich hatte sie einen Mann und drei Kinder. Wie er sein Glück kannte.
»Sie sehen besorgt aus«, sagte Dora mit warmer Stimme.
»Ich habe gerade Eltern in die Rechtsmedizin begleitet, um den toten Sohn zu identifizieren.«
Sonst war Pit nicht so vertraulich. Was war los mit ihm an diesem Sonntagnachmittag im November?
»Das ist schrecklich«, sagte der kleine Herr Kolp.
»Können wir da was tun?«, fragte Dora. Wäre sie nicht eine gute Hauptkommissarsfrau?
»Ich habe die Eltern zum Griechen eingeladen«, sagte Pit.
Er kam sich vor wie ein Idiot. Ein Treffen mit dem Pastor der dänischen Seemannskirche wäre naheliegender gewesen.
Dora schien ihn nicht idiotisch zu finden.
»Sie horchen auf Ihre Instinkte«, sagte sie, »das ist gut.«
Pit wusste gar nicht, auf was er gehorcht hatte. Da war nur diese große Verlegenheit gewesen in der Rechtsmedizin.
»Sind Ihre Kinder auch schon da?«, fragte er. Ein kleiner Vorstoß, um sich nicht lange der Illusion auszuliefern.
»Sie sprechen von meinen kleinen Brüdern«, sagte Dora.
Der kleine Herr Kolp lächelte.
»Können Sie sich vorstellen, dass dieses Prachtexemplar unverheiratet ist?«, sagte er. Er hatte ohne Zweifel gelernt von Evangelia, die keine Scheu kannte.
Nun war es Dora, die verlegen aussah.
Die Frau sah aus, als trüge sie einen toten Airdaleterrier um die Schultern. Doch es war nur eine Jacke. Beigefarbener Plüsch mit dunkelbraunen Lederstreifen.
»Das kann ja jeder sagen«, sagte die Frau.
Vera hielt ein gefaltetes Blatt Papier in der Hand. Als Beweis, dass sie Herrn Köpke nur was durch die Tür schieben wollte.
Eine Rechnung der Wäscherei, die sie zufällig in ihrer Tasche gefunden hatte. Das sah ja keiner.
Tischtücher, kariert. Servietten. Kissenbezüge. Laken.
Gemangelt. Abgeholt. Bezahlt.
»Köpke. Ist das der Schwule aus dem ersten Stock?«
Das verweigerte Vera zu beantworten.
Schwul? Wen ging das was an? Sie wusste nicht einmal eine Antwort darauf.
»Köpke ja«, sagte sie und klingelte noch einmal bei Köpke.
Die Frau in der geschmackvollen Jacke schlüpfte durch die Tür, schloss sie von innen ab und ließ Vera und Nick draußen stehen.
»Ich hätte Lust, ganz fies zu werden«, sagte Vera.
An was dachte sie? Tür eintreten?
»Da kommt eine neue Chance«, sagte Nick.
Die Chance war klein, dick und betrunken.
»Wollen Sie mit rein?«, fragte sie und hielt die Tür auf, deren Schlüsselloch sie schließlich gefunden hatte.
Vera und Nick verweilten ein wenig im ersten Stock. Als oben eine Tür zufiel, machte sich Nick ans Werk. Eine Sache von Sekunden. Vielleicht eine
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