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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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tragisch. Die Sache mit Eddie Stratton jedenfalls»,
setzte er für sich hinzu. Sollte er den vier Leutchen dort am Tisch sagen, daß
Dr. Kemp tot war? Sie mußten es sowieso bald erfahren. Nein, entschied er, die
haben jetzt erst mal andere Sorgen. Er kippte rasch seinen Glenlivet, und
während er zum Haupteingang zurückging, überlegte er, ob einem der vier Zecher
am Tisch der Chapters Bar die Nachricht von Kemps Tod — von dem Mord an
Kemp — wirklich überraschend gekommen wäre.
    Allerdings hatte er keine Zeit,
diese fesselnde und vermutlich fruchtlose Überlegung weiterzuführen, denn
während er noch wartend auf dem Gehsteig vor dem Hoteleingang stand, fuhr ein
Taxi vor, dessen Fahrer einem torkelnden, sturzbetrunkenen Mann in die
Hotelhalle half. Morse war seinen Schluckbrüdern gegenüber gewöhnlich sehr
tolerant und hatte hin und wieder auch nichts gegen die Gesellschaft einer
etwas angeheiterten Sirene, aber der Anblick dieses Menschen, der rührend
unbeholfen eine Brieftasche aus der Jacke zog, drei Zehnpfundscheine
herausfingerte und dem Fahrer überreichte — dieser Anblick weckte sogar bei
Morse leichten Widerwillen, gleichzeitig natürlich aber auch eine gewisse
Erleichterung.
    Denn dieser Mensch war Eddie
Stratton.
    Eine Befragung Strattons an Ort
und Stelle hätte offenkundig nichts gebracht. Schon wurde der verlorene Sohn,
flankiert von einer teils besorgten, teils erbosten Shirley Brown auf der einen
Seite, einem sachlich-ernsten Howard Brown auf der anderen Seite, zum
Gästeaufzug geführt. Nein, Stratton lief ihm nicht weg, der war, wenn es nicht
ganz dumm kam, am nächsten Morgen auch noch da.
    Im Gegensatz zu dem Taxifahrer.
    Morse packte den Mann, der sich
schon zum Gehen gewandt hatte, am Arm.
    «War wohl eine ziemlich lange
Tour?»
    «Wie?»
    «Dreißig Pfund. Mindestens
Banbury.»
    «Kann schon sein. Ist aber
nicht dein Bier, Kumpel.»
    «Ich bin nicht Ihr Kumpel.»
Morse zückte seinen Dienstausweis.
    «Na und? Was wollen Sie von
mir?»
    «Wo ist er eingestiegen?»
    «North Oxford.»
    «Teure Fahrt.»
    «Ich hab ja nicht verlangt, daß
—»
    «Aber genommen haben Sie die
dreißig Pfund schon...»
    «Diese Amis stinken doch nach
Geld.»
    «Ich habe nichts gegen Amis.»
    «Ich auch nicht.»
    «Da drüben steht eine
Sammelbüchse.» Morse deutete auf den Tresen der Rezeption. «Leukämie-Fonds. Die
ist bestimmt noch aufnahmefähig.»
    «Wieviel?»
    «Zwanzig?»
    Achselzuckend rückte der
Taxifahrer zwei Zehnpfundnoten heraus.
    «Wo in North Oxford? Die genaue
Anschrift.»
    «Hab ich vergessen.»
    «Wir könnten natürlich auch
fünfundzwanzig sagen...»
    «Hamilton Road. Ziemlich weit
unten. Siebenundneunzig, glaube ich.»
    «Name?»
    «Derselbe wie meiner. Komischer
Zufall, wie?»
    «Ich halte viel von Zufällen.»
    «Sie hat angerufen und gesagt,
ich soll den Typ ins Randolph fahren.»
    «Gut. Danke. Also dann gute
Nacht, Mr äh...»
    «Williams. Jack Williams.»
    Lewis hatte hinter dem Taxi
gehalten, bekam gerade noch mit, wie Morse langsam — widerstrebend? — zwei
Zehnpfundscheine in den Schlitz der Sammelbüchse steckte, und lächelte
zufrieden. Er wußte, daß Morse nicht am Hungertuch nagte, aber zumindest in
Pubs zeichnete sich sein Vorgesetzter nicht gerade durch Großzügigkeit aus. Wie
schön, daß der Chief Inspector offenbar auch wohltätige Anwandlungen hatte.
Lewis sah kommentarlos zu, wie die beiden Scheine in der Büchse verschwanden.
     
     
     

22
     
    Pflicht
ist das, was man von anderen erwartet; es ist nicht das, was man selber tut. (Oscar
Wilde, Eine Frau ohne Bedeutung)
     
    Lewis hatte keine Mühe, das
Heim der Kemps in der Cherwell Lodge — die Erdgeschoßwohnung ganz rechts in dem
dreistöckigen Gebäude — auszumachen, denn in der ganzen Straße war nachts um
Viertel vor eins nur noch dieses eine Fenster hell. Inzwischen hatte Lewis
seinem Chef den gelben A4-Bogen gezeigt, und Morse hatte in seiner Begeisterung
sogar während der Fahrt die Wagenbeleuchtung eingeschaltet, um ihn sich
anzusehen. Er faltete den Bogen gerade wieder zusammen und steckte ihn in die
Brusttasche, als Lewis so geräuschlos wie möglich vor Nummer sechs hielt.
    «Wir können von dort aus
anrufen, das ist am einfachsten», sagte Morse und deutete auf die Kempsche
Wohnung. «Für unser Gespräch brauchen wir eine Polizistin, in der Zentrale
müßte eigentlich eine sein.»
    Lewis nickte.
    «Und einen Arzt», fuhr Morse
fort. «Ihren Arzt, falls er nicht zu verpennt oder zu besoffen

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