Tod für Don Juan
«Mesopotamien» erreicht, einen Fußweg zwischen zwei Flußarmen, wo Michael,
ermutigt durch die Tatsache, daß seine rechte Handfläche jetzt auf der rechten
Gesäßhälfte der ziemlich energischen Karen lag, und zwar ohne spürbaren
Widerstand von ihrer Seite, das Nymphchen zum sogenannten Parson’s Pleasure
lockte. Diese berühmt-berüchtigte Badestelle befindet sich an einer Biegung des
Cherwell und verfügt über etliche zweckmäßig-schlichte Kabinen, in denen
Badelustige ihre Kleidung ab- und Badeanzüge anlegen können — oder auch nicht.
Parson’s Pleasure ist durch grün gestrichene Wellblechplatten eingegrenzt.
Während der Sommermonate wird der Eingang recht streng bewacht, und wenn das
Wasser selbst für ganz abgehärtete homoerotische Stammgäste zu kalt geworden
ist, wird er fest verrammelt. Eine der Wellblechplatten aber war — durch einen
unzeitigen Sturm oder durch schnöde Bubenhände — umgefallen, und sehr bald
saßen die beiden jungen Leute nebeneinander in einer der Kabinen. Karen war
zwar die Ältere, aber in der Beziehung der beiden die Zurückhaltendere, was
durchaus gerechtfertigt war, denn Michael war, wie sie von anderen Mädchen aus
dem Dorf wußte, zahlendes Mitglied der Grapschbrigade. Nach kurzer
Rekognoszierung an ihrem linken Oberschenkel hatte er unvermittelt die Taktik
gewechselt und eine Offensive auf ihre Bluse gestartet, woraufhin sie beschloß,
sich auf vorbereitete Stellungen zurückzuziehen.
«Ich möchte gehen, Mike. Es
wird ein bißchen kühl hier.»
«Dagegen läßt sich was machen,
Schätzchen.»
«Und ein bißchen gruselig ist
es auch. Mir gefällt’s hier nicht, Mike.»
Er hatte es eigentlich schon
gewußt, als sie sich um halb neun durch die Hecke gezwängt und auf der Rainbow
Bridge, über den strudelnden Fluten des Hochwasser führenden Flusses, kurz
geküßt hatten. Es war einfach nicht warm genug, um die äußeren Widerstände zu
überwinden, die weiterer Annäherung entgegenstanden. Wie kann man einem Mädel
an die Wäsche gehen, das angezogen ist wie zu einer Antarktisexpedition? Jetzt
stand er auf und knöpfte mit einer überraschend ritterlichen, fast liebevollen
Geste, wie sie fand, den einzigen Blusenknopf wieder zu, den er bisher hatte
aufmachen können.
«Ja, es ist wirklich ein
bißchen kühl», schwindelte er.
Als sie die Kabine verließen,
lag heller Mondschein über dem Wasser, und Karen überlegte gerade, ob sie
diesen temperamentvollen, immer lustigen jungen Mann vielleicht falsch
eingeschätzt hatte, als ihr Blick auf das Wehr fiel und auf einen Gegenstand,
der längs darüber lag.
«Iiihhhhhh!!!»
ZWEITER TEIL
20
Die
Mondqualle wiegt sich
unter
den Wellen
wie
ein Fallschirm in der Luft
(Basil
Swift ,
Gesammelte Haikus)
Mitten in dem langsamen Satz
von Dvořáks Amerikanisches Quartett , bei dem Morse ernsthaft überlegte,
ob dieses herrliche Werk eines Tages womöglich das In Paradisum aus
Faurés Requiem vom achten Platz seiner privaten Hitliste verdrängen würde —
läutete das Telefon. Zum zweiten Mal an diesem Abend. Beim ersten Mal war Lewis
am Apparat gewesen, um zu melden, Eddie Stratton habe gleich nach dem
Mittagessen mit der Bahn die Stadt verlassen und sei noch nicht wieder im Randolph eingetroffen. Natürlich sei ein so langes Ausbleiben doch etwas beunruhigend,
besonders in Anbetracht der — nun ja, der obwaltenden Umstände. Vor ein paar
Minuten habe denn auch der besorgte Ashenden in Kidlington angerufen und sich
erkundigt, ob der Polizei etwas über Eddie Stratton bekanntgeworden sei, und
das habe Lewis, ehe er Feierabend machte, noch an Morse weitergeben wollen.
Dieser hatte eher widerwillig und nur mit halbem Ohr zugehört. Bei dem zweiten
Anruf aber hörte er sehr genau hin.
Lewis und Max waren schon da.
Der Polizeiarzt, im Smoking und merkwürdig rot im Gesicht, kleidete seine
Informationen für den Chief Inspector in ziemlich blumige Worte:
«Dort hat der Tote gelegen,
Morse...» Er deutete auf das mondbeglänzte Wasser des Wehrs: «...etwas Blasses,
Langes und Weißes, so hat die junge Dame sich ausgedrückt. Gut, nicht? Er ist
mit einer Bootsstange bis zu dieser Stelle gestakt worden, und als ich kam, lag
der Körper, nackt und halb unter Wasser, am Ufer, direkt vor den
Umkleidekabinen, mit dem Gesicht nach unten, vom Kopf war das Blut abgespült —
vorher, deucht mich, muß viel Blut geflossen sein, Morse, sehr viel Blut. Sein
Haar hob und senkte sich...»
«Hast du
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