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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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auf dem Steinway-Flügel, den Morse vorhin im Lancaster Room
bewundert hatte, dann stimmte der Pianist, der für die musikalische
Unterhaltung zur Teestunde zuständig war, die nostalgische Melodie von Love’s
Old Sweet Song an.
    Die beiden hörten schweigend
zu, dann nahm Morse das Gespräch wieder auf: «Ich überlege mir allmählich, wer
eigentlich ein Verhältnis mit wem hatte.»
    Lewis zog die Augenbrauen hoch.
    «Stratton und Shirley Brown
gehen zusammen aus, und alle zwinkern sich vielsagend zu. So weit, so gut. Und
wir konzentrieren uns auf diesen potentiellen Skandal und übersehen dabei etwas
viel Aufschlußreicheres, daß nämlich Brown und Laura Stratton Zimmernachbarn
sind. Zimmer
308 und 310, nicht? Cherchez la femme , Lewis! Ein crime passionnel. Stratton kommt
zurück, ertappt Brown auf frischer Tat, will sagen auf Laura Stratton — und das
ganze Theater um den Wolvercote-Dorn ist nur Tarnung.»
    Mit solchen nutzlosen
Spekulationen kam er bei Lewis schlecht an. «Sie war müde, Sir, sie freute sich
auf ein Bad und nicht—»
    «— aufs Bumsen, meinen Sie?»
    «In diesem Alter ist man
normalerweise — »
    «Wieso? Sex soll sehr gut für
Leute im Rentenalter sein.»
    «Da haben Sie ja nur noch zehn
Jahre hin...»
    Morse lächelte etwas gezwungen.
«Nein, ehrlich, Lewis: Love’s Old Sweet Song ... irgendwo muß das eine
Rolle spielen. Eine Frau stirbt. Ein Kunstgegenstand verschwindet. Ein
Kunstexperte wird ermordet. Können Sie mir folgen, Lewis? Es muß da eine
Verbindung geben. Nur kann ich im Augenblick —» Er unterbrach sich, sah noch
einmal auf die drei Daten. «Es ist Ihnen doch klar, daß diese drei Jungs im
Jahre 1944 zweiundzwanzig, zweiundzwanzig und sechsundzwanzig waren.» In seinen
Augen glänzte es wie nach einer Erleuchtung. «Wenn sie nun alle in oder bei
Oxford stationiert waren?»
    «Ja und?»
    Morse blieb die Antwort
schuldig.
    Lewis griff sich das Protokoll,
das Aldrich zu Papier gebracht hatte, und stand auf. «Soll ich Howard Brown
kommen lassen?»
    Doch Morse schien schon wieder
auf eine andere Wellenlänge geschaltet zu haben. «Warum haben Sie gesagt, daß
er ein gescheiter Mann ist?» fragte er und deutete auf das Protokoll.
    «Zunächst mal hat er nur
dreimal was ausgestrichen. Und dann... er hat sich einfach hingesetzt und alles
in einem Zug niedergeschrieben.»
    «Hm», meinte Morse, aber das
hatte Lewis nicht mehr gehört, denn er war schon losgegangen, um Brown zu
holen.
    Im Nebenraum der Bar waren nur
noch zwei weitere Tische besetzt. An dem einen stach eine üppige mittelalterliche
Dame mit der Präzision eines Buchhalters, der Zahlen in seine Rechenmaschine
eintippt, die Gabel in ihren Salatteller und näherte das beladene Eßgerät ihren
eifrig mahlenden Kiefern. Hätte ich die geheiratet, dachte Morse, wäre eine
Woche später alles vorbei gewesen. An dem anderen Tisch saß eine Frau neben
einem etwa doppelt so alten Mann in dunklem Anzug, die sich offensichtlich
nicht sehr wohl in ihrer Haut fühlte und mit ihren unberingten Händen ein
ganzes Kapitel Körpersprache erzählte. Vielleicht war das Ende der verbotenen
kleinen Büro-Liaison in Sicht. Dann richtete sie den traurigen Blick mit einem
Hauch verständnisvoller Kameradschaft auf Morse und lächelte ihm zu. Morse
erwiderte das Lächeln und empfand ganz kurz ein wunderbar intensives Glücksgefühl.
     
     
     

36
     
    Da
sie sich trafen, ward zum Juni der Dezember.
    (Tennyson)
     
    Howard Brown kapitulierte
sofort, als man ihn mit der verräterischen Sieben konfrontierte. Ganz recht,
Aldrich, Stratton und er waren 1944 in oder bei Oxford stationiert gewesen, und
er, Brown, hatte Stratton damals flüchtig gekannt. Sie hatten sich über das
Wiedersehen auf dieser Reise sehr gefreut und danach manche Stunde damit
verbracht, über alte Kameraden zu sprechen, über die, die durchgekommen waren,
über andere, die es nicht überlebt hatten, und über die «Dorfschönen», die sie
als junge Gis in Oxford und den umliegenden Ortschaften entdeckt hatten. Brown
hatte sich, wie er sagte, unsterblich in eine gewisse Betty Fowler verliebt,
die er an einem Freitagabend bei einer Tanzerei in der Oxford Town Hall
kennengelernt hatte, und ihr schon beim zweiten Zusammensein unwandelbare,
ewige Liebe geschworen.
    Nach Kriegsende, im Sommer
1945, war er in Deutschland demobilisiert worden und gleich wieder nach Amerika
gegangen, ohne sich große Hoffnungen auf eine Aufrechterhaltung der Verbindung
zu machen, da sie nur ein

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