Tod im Albtal
sie in unseren Kreisen gelegentlich als Gattinnen von Autohausbesitzern oder Industriellen auftauchten.
»Ich wollte Sie sprechen. Sie sind doch die Frau mit dem Mord, oder?«
Nun, so könnte man es auch nennen. Ich war die Frau mit dem Mord! So weit hatte ich es immerhin gebracht.
»Ich fürchte, ich verstehe nicht«, entgegnete ich kühl. »Was möchten Sie?«
»Ich will nicht zur Polizei. Ich habe etwas beobachtet. Aber ich will nicht zur Polizei. Mein Sohn … wir hatten schon mal Ärger. Besser, man steht nicht auf der Liste.«
Da hatte sie vielleicht sogar recht.
»Nun, wenn Sie herkommen möchten. Ich habe aber nicht viel Zeit.«
»Zu Ihnen. Kommen?«
»Ja.«
»Das geht nicht.«
Aha. Bis hierhin, und wie weiter?
»Soll ich zu Ihnen kommen? Sollen wir uns treffen? Hören Sie, könnten Sie bitte zur Sache kommen.«
»Ich wohne aber in Pfaffenrot«, kam es zögernd. »Muss man mit dem Bus fahren.«
»Ich habe ein Auto. Das wäre kein Problem.«
»Natürlich«, sagte sie verlegen.
Es war wirklich kein Problem. Einer der Vorteile von Ettlingen war, dass man andere Welten in kürzester Zeit erreichen konnte: einfach rechts und links die Berge hoch.
Die rechte Seite unseres Albtales war vielleicht ein wenig schicker durch die Gestüte und die Restaurants. Pfaffenrot hingegen bot rustikales Heimatgefühl. Die zu Marxzell gehörende Gemeinde war ein hübsches kleines Dorf, das man über eine kurze steile Straße erreichte, die von der Albtalstrecke aus nach oben führte. Es wunderte mich, dass die unbekannte Frau dort lebte. Pfaffenrot war nett, aber man musste eigentlich dort geboren sein, um sich dort zu Hause zu fühlen. Es gab keinen direkten Stadtbahnanschluss. Wenn man einmal im Jahr auf die Höhe fuhr, mochte es originell sein, auf Dauer war es aber wenig praktisch.
Mit unseren Damenkreisen waren wir ein- oder zweimal bei den rustikalen Veranstaltungen gewesen, die sie dort ab und zu im Dorfmuseum geben. Wir trugen dann die schicke Landhausmode der angesagten Firma Sportalm, legten wenig Make-up auf und tranken Bier. Das heißt, wir bestellten es und nippten daran. Trinken sollten es jene Leute, denen ihre Figur egal war! Eigentlich nippten wir ständig nur. Am Essen. Am Trinken. Am Sex. Vielleicht am ganzen Leben.
»Ich wohne in einem Haus. Gleich am Eingang vom Ort. Oben in einer Wohnung. Wir …« Ihre Stimme erstarb. Ihr war es peinlich und mir auch.
»Soll ich zu Ihnen kommen? Es müsste aber gleich sein.«
»Gerne. Möchten Sie Kaffee?«
Um Gottes willen. Ich sah das Geschirr vor mir. »Nein, sehr freundlich.«
Pfaffenrot lag in freundlichem herbstlichem Dunst. Wie die Dörfer auf der anderen Talseite auch, bot der Ort schöne Aussichten in die umgebenden Wiesen und Weiden. Die Straßen waren fast menschenleer. Es wirkte sehr sauber und idyllisch, überall Fachwerk und gepflegte Dorfhäuschen. Schöne Vorgärten, in denen der Herbst sich farbenfroh austobte.
Ich fand das Haus sofort. Es war ein eher ärmliches Anwesen, an dem man über die Jahre immer wieder herumgebaut hatte. Das graue Gebäude stand fast frei an einem abschüssigen Hang. Durch die grüne Wiese, die nach unten abfiel, und die Bäume, die auf der linken Seite die einzigen Nachbarn des Hauses waren, wirkte die Szenerie fast wie im Allgäu. Das Haus hatte alte Holzfenster und eine billige Tür. Das Dach sah ebenso renovierungsbedürftig aus wie das gesamte Gebäude. Ein ausgeschlachtetes Motorrad stand vor dem Haus. Eine Katze und ein Hund saßen friedlich nebeneinander in dem schlichten, nicht gärtnergepflegten Vorgarten und beobachteten mich, als ich vorsichtig ausstieg, mich umsah und dann auf die Tür zuging. Es roch irgendwie undefinierbar nach Fleisch oder Wurst.
Frau Herrmann selbst stellte sich als kleine, abgearbeitete Person heraus. Schlechte, fleckige Haut. Ihre fettigen schmutzig blonden Haare hatte sie zu einem dünnen Pferdeschwanz gebunden. Ihre blauen Augen sahen desillusioniert in die Welt, um den Mund lag ein bitterer Zug. Investierte man zehntausend Euro in sie, könnte sie ganz nett aussehen.
»Mein Mann hat das Haus damals von einer alten Frau für wenig Geld gekauft. Er ist jetzt aber ausgezogen. Und ich habe meine Cousine aus Polen aufgenommen. Zusammen können wir es gerade so bezahlen.«
Sie führte mich in ein Wohnzimmer, das für jemanden wie mich, den diese Art von Hässlichkeit zutiefst deprimierte, im Grunde fast unbetretbar war. »Nehmen Sie Platz.«
Anscheinend musste ich mich im
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