Tod im Albtal
Mordfall Friederike ständig in grauenhaften Sitzgruppen niederlassen: Auch hier stand so ein Exemplar in dem unsäglichen braungrauen Muster der siebziger Jahre, davor ein niedriger Couchtisch aus Eichenimitat mit eingelassenen graubraunen Kacheln. Ansonsten gab es noch einen Fernsehschrank und ein Regal, in dem alte Zeitschriften und Schachteln lagerten. Gelblich braune Vorhänge ließen kaum Licht in den hässlichen Raum.
»Ich sage Ihnen etwas über den Mord, wenn Sie mir etwas dafür geben.«
»Meine liebe Frau Herrmann …« Ich ließ mich ganz vorne auf der Kante des Sofas nieder. »Dass Frau Schmied ermordet worden ist, tut mir zwar sehr leid, aber die Aufklärung ihres Todes ist mir kein Geld wert. Ich kann Ihnen nichts dafür geben. Das würde ja nach Bestechung aussehen.«
»Kein Geld!«, sagte sie energisch. »Sprechen Sie nur mit dem Polizisten. Dem großen, schlanken. Dem mit Ring im Ohr. Wegen Daniel. Wegen meinem Sohn.«
»Aha. Ihr Sohn hat wohl Ärger gehabt, und Sie wollen ihn jetzt herauspauken.« Scharf musterte ich die Frau. Die Flecken auf ihrem Gesicht verstärkten sich.
»Nein. Ich will, dass er zur Polizei geht. Er soll Polizist werden, aber sie sind streng. Mit der Aufnahme. Sprechen Sie mit dem großen Kriminaler. Vielleicht kann er ihm helfen, wenn ich Ihnen helfe. Kann ihn empfehlen. Er ist ein guter Junge. Eigentlich. Und sehr viel Sport. Ist in Fußballverein. Hier oben. In Pfaffenrot.«
»Warum tun Sie das nicht selbst?«
Sie schüttelte den Kopf. »Geht nicht. Geht nicht. Ich gehe nicht zur Polizei. Niemals.«
Ich seufzte. »Also gut. Ich werde es versuchen. Und jetzt sagen Sie mir doch bitte, was Sie gesehen haben.«
»Ich arbeite in dem Blumenladen. Stundenweise. Nur Stunden. Leute wollen uns alle immer nur für Stunden anstellen. Niemals für immer. Kein Bedarf. Warum?«
Woher sollte ich das wissen? Ich hatte noch nie eine feste Stelle gehabt, außer der als gut bezahlte Ehefrau. Eine Tätigkeit, die ich allerdings auch nur stundenweise ausübte. Mein Mann hatte nicht mehr Bedarf für mich.
»Was machen Sie dort?« Ratlos sah ich die Frau an. Was mochte so eine Frau wie diese im Blumenladen tun? Putzen vermutlich. Ich würde sie nicht als Putzfrau haben wollen. Zu ungepflegt. Vorsichtig sah ich mich um. Es war sauber hier. Und doch wieder nicht. Diese alten Möbel hatten für mich etwas zutiefst Unhygienisches.
»Ich helfe beim Umtopfen und putze und gieße. Und an dem Tag habe ich die Bäume hinten in dem Hof gegossen. Da, wo die Leute durchlaufen.«
»Ja, der kleine Platz. Die Polizei hat aber doch alle Mitarbeiter gefragt, ob sie etwas Ungewöhnliches beobachtet haben.«
»Ich habe es erst nicht gemerkt. Und jetzt? Ich will nicht auf die Liste. Eine Frau ist in den Hintereingang von diesem teuren Laden da gegangen. Ungefähr um halb zwölf. Es gehen ab und zu Leute da rein. Nicht viele. Ich achte da nicht drauf. Aber mit dieser Frau … da hat was nicht gestimmt mit ihr.«
»Was denn?«
»Ich glaube, sie war irgendwie verkleidet. Sie hatte ein Kleid an, aber es hat überhaupt nicht gepasst. Ich verstehe etwas davon.« Jetzt schlich sich ein Ausdruck von Stolz in ihr Gesicht. »Ich war Schneiderin. Damals bei uns zu Hause in Russland. Das Kleid sah irgendwie komisch aus. Es war zu groß. Es war irgendwie … nicht echt. Schlecht genäht. Und die Person darin war wie ausgestopft. Am Busen und am Po. Und die Haare waren auch nicht echt. Ich habe noch gedacht: Eine komische Frau. Wie in Filmen, wo Männer Frauen spielen. Da haben sie solche Sachen an.«
»Haben Sie das Gesicht der Frau gesehen?«
»Nur kurz. War bisschen zu stark angemalt. Rote Lippen und so. Deutsche Frauen machen das nicht.«
»Haben Sie die Person wieder hinausgehen sehen?«
»Nein. Ich war fertig mit gießen. Ich musste wieder rein. Die Chefin mag das nicht. Mag das gar nicht. Ich gieße und gehe wieder rein. Es war doch das Fest. Fest vom Markt. Da ist sehr, sehr viel los bei dem Laden.«
Ich dachte nach. Neben mir auf dem Sofa saß ein Bär aus rosa Plüsch. Er sah mich aus seinen starren weißen Augen unverwandt an.
»Frau Herrmann, was meinen Sie? Was steckte hinter dieser Frau?«
Sie lächelte schlau. »Ich glaube, es war gar keine Frau. Ich glaube, es war ein Mann, der sich angezogen hat wie eine Frau. Das Kleid. Es hat einfach nicht gestimmt. So schlecht genäht, das würde keine Frau anziehen. Und die Schminke auch nicht. Und außerdem: Wer hat bei dem warmen Wetter ein Tuch um
Weitere Kostenlose Bücher