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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
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Respekt hatte.
    Elena selbst sah das wesentlich anders: »O Gott. Spricht sie wirklich so über mich? Dabei bin ich eigentlich viel zu gutmütig und habe viel zu viel Verständnis für sie allesamt, denn die armen Dinger haben sich für einen der härtesten Berufe der Welt entschieden. Sag es ihr aber nicht weiter. Die Mädels sollen ruhig ein wenig Angst vor mir haben. Sonst hängen sie abends in den Kneipen herum und schwänzen ihre Schwimmstunden und ihre von den segensreichen ›Freundinnen des Balletts‹ spendierten Massagen.«
    »Ich glaube, deine Tänzer buhlen alle darum, von dir als besonders gut wahrgenommen zu werden.«
    »Auch das ist eine alte Methode: Teile und herrsche«, erwiderte Elena lässig. »Verstehen sie sich zu gut und sind sie vor meinen Augen alle gleich, fällt der Konkurrenzgedanke weg, und der ist bei uns leider das Salz in der Suppe. Wir sind nur als Gruppe gut, das stimmt, aber wenn der Einzelne nicht versucht, genial zu sein, kommt nichts Erstklassiges dabei heraus.«
    Es war elf Uhr vormittags, und Elena und ich saßen in der Theaterkantine des Karlsruher Staatstheaters, die zumindest bei mir jegliche Kreativität im Keim ersticken würde. Grauer dunkler Beton, und der Raum war überdies noch vollkommen phantasielos mit am Boden festgeschraubten Tischen eingerichtet. Der Tresen, an dem man sich seinen Kaffee oder sein Essen sowie belegte Brötchen oder Joghurt in Becherchen holen konnte, war ebenfalls keine reine Augenweide. Jede mittelgroße Firma müsste angesichts einer derart trostlosen Kantine fürchten, Mitarbeiter zu verlieren.
    Die Schneeflocke hatte irgendein Band, das sie Tape nannte und mit dem sie ihre Knöchel stützte, zu Hause vergessen, und ohne dieses Tape gab es für sie keine Probe. Die Verletzungsgefahr war zu groß. Da ich sowieso etwas in Karlsruhe zu erledigen hatte, war ich zum Theater gegangen, hatte die strenge Pforte passiert und mich im Vorraum mit einer geschäftig wirkenden Elena getroffen.
    »Wenn du schon hier bist und der Kleinen ihr Zeug hinterherträgst, lade ich dich zu einem Kaffee ein. Diese jungen Dinger. Vergessen sowieso immer die Hälfte im Probenraum. Ich trainiere ja nur selten selbst, aber manchmal habe ich eine Einzelstunde und gehe hinterher in die Säle. Ich könnte einen Flohmarkt mit den Sachen veranstalten, die sie liegen lassen. Von Socken über Haarbänder, bis hin zu T-Shirts, natürlich ihre geliebten Wasserflaschen, Creme, ihre Tamponschachteln – alles.«
    Sie seufzte und schnippte zwei Tabletten mit Süßstoff in ihren Kaffee.
    Ich verneinte, als sie mir davon anbot. »Schwarz, Elena. Aber deinen Keks würde ich nehmen. Danke!«
    Sie rührte in ihrem Kaffee. Ich sah mich um. Zwei Männer mit Schals taten sehr wichtig, murmelten und zeichneten runde Kreise auf ein Blatt. Eine ältere Frau mit gefärbtem schwarzem Haar las die Bildzeitung und schüttelte die ganze Zeit den Kopf über die Schlechtigkeit der Welt. Ein junger, gut aussehender Typ, der aussah wie ein Türke, trug eine Uniform mit der Aufschrift »Brandschutz«. Er trank Tee in kleinen konzentrierten Schlucken.
    Ich wandte mich Elena zu. »Aber alles in allem nehmen die Mädchen die Sache hier schon sehr ernst, habe ich den Eindruck. Kann es sein, dass sie insgesamt sehr reif sind für ihr Alter? Die Schneeflocke – verzeih, so nenne ich sie nun auch – hatte gestern Besuch von einer anderen Flocke. Einer kleinen Japanerin, gerade mal neunzehn. So ein eisernes Pflichtbewusstsein würde ich mir von meiner Tochter wünschen!«
    »Ja, wer es bis hierher geschafft hat, musste schon einige Hürden überwinden. Du sprichst von Pflicht. Und von Talent. Es ist aber auch viel Glück dabei. Die richtigen Gönner zur richtigen Zeit. Fit sein an dem Tag des Vortanzens. Nicht die Periode vor sich haben und schlapp sein. Ein bisschen Masochismus gehört dazu. Man muss es lieben, sich zu quälen, jedes Mal wieder für diese eine einzige Vorstellung und für diesen einen einzigen Applaus. Und das dann Abend für Abend. Das ist hart.«
    In Elenas Augen stand dieses besondere Leuchten, wie immer, wenn sie von ihrer Arbeit sprach.
    Plötzlich beneidete ich sie. Es war eine Sache, mit Frauen einkaufen zu gehen, die nicht wussten, dass man niemals weiße Schuhe anzog, außer man trug ein Etuikleid von Chanel und lebte zu den Zeiten von Audrey Hepburn. Andernfalls sah man darin aus wie aus einer Nervenheilanstalt entsprungen.
    Und es war etwas ganz anderes, etwas Bedeutsames zu tun,

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