Tod im Albtal
getroffen. Ich bin ja auch bei den ›Freundinnen des Balletts‹. Und, es ist albern, ich weiß, aber ich bemühe mich immer, gut auszusehen. Sie erwartet das einfach von mir. Ich kann nicht tanzen wie ein Star, aber ich kann doch auf mich halten, oder?«
»Gut. Wohin möchten Sie fahren? Mannheim? Baden-Baden? Pforzheim? Da kenne ich mich allerdings nicht so gut aus, und es gibt wenige Designerläden. Karlsruhe?«
»Vielleicht Karlsruhe. Ich bräuchte einen Mantel und ein Kleid.«
Der Frau konnte geholfen werden.
Angelika kam am anderen Tag und holte mich zu Hause ab. Ich hatte sie bereits gelegentlich im Theater getroffen, aber nur flüchtig im Vorübergehen gegrüßt. Sie sah eigentlich recht nett aus. Klein, schlanke Taille, etwas zu kräftige Schenkel und ein gutmütiges, stupsnasiges Gesicht unter hellbraunem Lockengewirr, durch das ein paar Strähnchen frühes Grau schimmerten. Sie mochte etwa fünfzig sein.
Und sie hatte die richtige Lebensentscheidung getroffen, denn fürs Ballett wäre sie mit ihrem Körperbau in etwa so geeignet gewesen wie ich für die Heilsarmee.
Sie holte mich also ab, mit einem hellblauen Audi, wir fuhren schnurstracks in die Innenstadt von Karlsruhe, parkten im teuersten Parkhaus und legten los.
Zügig durchstreiften wir das Modekaufhaus Breuninger auf der Kaiserstraße, wobei ich mich nicht mit den unteren Stockwerken aufhielt, sondern gleich zielgenau die Exquisit-Etage aufsuchte.
Gelegentlich hatte ich Kundinnen, die nicht so viel Geld wie ich für hochwertige Stücke ausgeben wollten. Denen empfahl ich, in der zweiten Januarwoche bei miesem Wetter in die Exquisit-Abteilung ihres Lieblingsmodehauses zu gehen. Sie sollten genau fünfhundert Euro mitnehmen und nur Markenware kaufen, die bis zu siebzig Prozent reduziert war. Die Lager mussten leer werden, und in der zweiten Januarwoche war das Weihnachtsgeld bereits ausgegeben. Da ließ manche Abteilungsleiterin noch mal mit sich reden. Vor allem, wenn man ihr die fünfhundert Euro zeigte.
Jetzt war September, und Angelika wollte nur eine einzige Ausstattung kaufen. Wir erstanden für sie ein knapp knielanges Mohair-Jacquard-Kleid von Jil Sander in Mokkabraun mit eingewebten feinen Farbstreifen in Rot und Türkis (ein wunderbares Kleid, es würde sogar mir gefallen) und einen eleganten kamelfarbenen Mantel mit XL -Kragen von Monsoon sowie eine wirklich wunderbare Tasche mit nicht allzu aufdringlichem Tigermuster von Longchamp.
Sie wünschte sich noch für den Herbst ein Seidenkleid – ich empfahl ihr Liebig, eine junge Designerfirma aus Berlin, deren Kollektion nur aus Seidenkleidern in allen Variationen besteht.
»Ich gratuliere Ihnen«, sagte ich. »Mode ist eine Stellungnahme, und Sie haben gerade eine solche gemacht. Sie wollen ein Seidenkleid, weil Sie sich darin rein und jung vorkommen – also soll es so sein!«
Sie sah mich mit einem merkwürdig traurigen Gesichtsausdruck an. Wieder eine Scheißehe, dachte ich unfein. Wahrscheinlich betrügt er sie. Was kann man von einem Mann, der begeistert im Führerhäuschen einer historischen Dampflok steht, schon erwarten?
Bei einem Glas Champagner landeten wir in dem kleinen Cafébereich, den das Haus für erschöpfte Kundinnen bereithielt. Wir redeten über die Kinder – sie hatte auch eine Tochter »aus erster Ehe« – und über ihren Job – sie half ihrem Mann bei der Verwaltung seiner Liegenschaften – und über ihre Hobbys – sie lernte Bridge – und über die Leute, die wir gemeinsam kannten.
Es kostete mich, wie immer, nicht viel Mühe, das Gespräch auf Friederike zu bringen.
»Ich kannte sie nur flüchtig. Von den ›Freundinnen des Balletts‹, aber da sind ja so viele von uns drin. Sie auch, Frau Tobler, nicht wahr? Sehen Sie. Mein Mann hat sich oft über Friederike Schmied geärgert, weil sie mit dieser komischen Organisation ›Töchter des Albtals‹ für Wirbel sorgte. Naturschutz. Vogelwelt.« Sie verzog gelangweilt das Gesicht. »Wir haben hier im Nordschwarzwald für meinen Geschmack zu viel Natur und ausreichend Vögel. Herrenalb besteht fast nur aus Bäumen und Bergen. Aber dann hatte sich Frau Schmied offenbar wieder normalisiert, meint mein Mann.«
»Meint er.«
»Ja. Und nur deshalb haben wir auch die Einladung zu dem kleinen Empfang angenommen, den ihr Mann für Freunde und Wegbegleiter gegeben hatte. Das Büfett war gut. Eine Firma aus Karlsruhe-Neureut, nicht wahr? Ich habe mir die Adresse geben lassen, obwohl wir die meisten
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