Tod im Albtal
jungen Dinger halt gerne hingehen. Um vier Uhr kam sie zurück, das arme Kind, läuft vom Bus zu unserem Haus, und zwar da am Waldrand, als da vorne um die Ecke ein Auto abbog, es kam aus dem Wald, sie meint, es war eine Art Sportwagen, schwarz oder blau, aber sicher ist sie sich nicht, und erwischt sie an der Seite. Sie stürzt, der Fahrer haut einfach ab und lässt mein Kind da liegen. Sie hätte verbluten können! Sie könnte tot sein! Und diese Straße ist so einsam. Es war ein Glück, dass sie sich nach Hause schleppen konnte. Und das alles nur, weil sie so durcheinander und mit ihren Gedanken so weit weg war.«
»Janine? Hast du die Polizei verständigt?«
»Natürlich. Sie sind schon da. Sie sprechen gerade mit ihr. Ein Fall von Fahrerflucht. Da ist der Kripobeamte. Da kommt er. Sprich du mit ihm. Du bist schuld! Dieses Verhör, das du mit ihr angestellt hast, hat sie verwirrt. Nicht mal ihren Geschwistern wollte sie sich anvertrauen. Sie hat nur geweint.«
Hoffentlich hat sie daraus was gelernt, die kleine Schlange, dachte ich in einem ersten Impuls. Dann sah ich, wer mir entgegenkam.
Mein Pech. Hagen Hayden erschien mit ernstem Gesicht im Treppenflur. Er bedachte mich mit einem kurzen, unfreundlichen Blick.
»Ich würde gerne später mit Ihnen sprechen, Frau Tobler. Wenn Sie bitte warten würden. Ich muss kurz zum Wagen und wegen des Tatfahrzeugs etwas abchecken.«
Als er zurückkehrte, war er nicht besser gelaunt.
»Frau Rubenhöfer, leider kann Ihre Tochter das Auto nicht genauer beschreiben, und sie hat auch die Nummer nicht erkennen können. Und da hier in der Straße nur zwei Häuser liegen und dort unglücklicherweise niemand zu Hause war, haben wir auch keine Zeugen. Das Auto ist abgebogen und über die kleine Nebenstraße im Wald nach Freiolsheim gefahren. Pech!«
»Wirklich nur Pech?«, fragte ich, doch Hagen Hayden war nicht in der Stimmung, sich auf Diskussionen mit mir einzulassen. Er bedachte mich nur mit einem unfreundlichen Blick und verschwand mit Marlies im Inneren des Hauses, wo offenbar der Rest der Familie wartete. Als er wieder herauskam, bellte er mich nur kurz an, ich hätte ihn bitte nachher in seinem Büro bei der Kripo aufzusuchen. Meinen Protest schnitt er mit einer Handbewegung ab.
Draußen begann sich ein schöner mittelbadischer Herbstabend zu entfalten. Eigentlich ein Abend für eine Erdbeerbowle mit provenzalischen Bio-Erdbeeren und grünen Pfefferkörnern aus New Mexico. Ich bezog meine von einer Privatadresse in Albuquerque. Sollten Sie mal probieren: Schmeckt traumhaft und hat mit der biederen Bowle früherer Zeiten nichts mehr zu tun.
Eine sehr kühle Verabschiedung von Marlies, und statt Bowle wartete also das Polizeirevier!
Nachdem ich mich vorsichtig auf einen unschönen Behördenstuhl gesetzt hatte, war er mit einem Ordner in der Hand verschwunden. Bevor er die Tür fest hinter sich zuzog, hörte ich noch leises Stimmengewirr.
Als er wiederkehrte, hatte sich seine Miene keineswegs aufgehellt. »Der Spaß ist zu Ende, Frau Tobler. Die Mutter ist der Meinung, Sie hätten das Leben eines Kindes gefährdet, indem Sie es über den Mord an Friederike Schmied befragt haben. Die Kleine sei danach total verwirrt gewesen und hätte abwesend gewirkt. Und so ist sie eben auch nach Hause gelaufen.«
Ich verdrehte die Augen. Janine war keine, die sich so schnell verwirren ließ. Aber Männer, vor allem unverheiratete, verstanden nichts von Kindern und schon gar nichts von jungen Mädchen.
Hagen musterte mich kalt. »Nachdem sie sich beruhigt hat, gibt sie nun selbst an, dass sie nicht aufgepasst hat, sondern, ohne nach rechts und links zu schauen, über die Straße gelaufen ist. Sie meint auch, der Autofahrer habe sie wohl nicht mehr fallen sehen, bevor er auf die Straße in den Wald abgebogen sei. Deshalb werden wir wahrscheinlich nicht wegen Fahrerflucht ermitteln können.«
»Schrecklich!«, murmelte ich.
Hagen beugte sich vor und kam mir ganz nahe. Sein Ohrring funkelte. Hätte er Bartstoppeln gehabt, so hätten sie mich beinahe berührt. Ich atmete schneller, drehte das Gesicht zur Seite.
»Ja, meine Schöne. Bei Kindern hört der Spaß auf, Frau Tobler. Wenn meine Vorgesetzten von unseren kleinen Gedankenspielen erfahren, muss ich mit einem fetten Disziplinarverfahren rechnen. Natürlich ist das Ganze Unsinn, und das Kind hat nichts mit dem Fall zu tun. Aber die Mutter sorgt sich, das Mädchen würde überall nur noch Mörder sehen. Tatsächlich ist Janine
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