Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
Vom Netzwerk:
schaukelte ein leerer Holzkahn und rasselte träge mit seiner Kette. An der Kreuzung des alten und des neuen Rheins stand eine Bank, die glücklicherweise frei war. Dies schien mir der ideale Platz, um nachzudenken.
    Ich bat die jugendliche Kellnerin, ob ich mein Glas die paar Meter mitnehmen durfte, was mit badischer Großzügigkeit gewährt wurde, und setzte mich auf die Bank. Gras kitzelte mich. Eine Libelle schoss punktgenau an mir vorüber. Es roch nach Moder und nach altem, feuchtem Holz.
    Mein Blick wanderte den Rhein hinunter, dahin, wo schon Frankreich begann. Deutsche und Franzosen hatten sich im Zweiten Weltkrieg hier nicht direkt gegenübergestanden, denn die Elsässer waren zum Wehrdienst in der Hitler-Armee gepresst worden, und die Pfälzer drüben waren evakuiert. Dennoch kannte ich noch aus meiner Kindheit die Vorbehalte der einen gegen die anderen und umgekehrt.
    Ich stellte das Radlerbier neben mich und holte einen Zettel aus meiner Furla-Tasche. Ich wollte versuchen, meine Gedanken zu ordnen.
    Was war jetzt eigentlich mit den Frauen, die mir unerwartet das schon sichere Bild eines männlichen Mörders durchkreuzten?
    Diese Sigrun Gramlich war gewiss mehr als nur eine unangenehme Person oder eine x-beliebige religiöse Fanatikerin, sondern sie war verrückt, vielleicht sogar gefährlich. Als fast ebenso unangenehm hatte ich Petra Bleibtrau, Roberts Schwester, empfunden. Sie war der Typ der einsamen alten Jungfer, sie klammerte an ihrem Bruder sowie an ihrem schmuddeligen Zuhause. Sie könnte Friederike gehasst haben. Gehasst und beneidet. Vielleicht hatte sie Angst gehabt, Friederike würde doch eines Tages ihren Mann verlassen und mit Robert eine Familie gründen, in der sie selbst keine Rolle mehr spielen würde.
    Ich sah am anderen Ufer ein Mädchen mit einem sehr kleinen Hund. Es saß auf dem Rad, und der Hund lief nebenher. Eine muntere, mutige kleine Pfälzerin. Die Spazierwege am gegenüberliegenden Rheinufer waren einsamer als hier auf der badischen Seite. Ich hätte meine Tochter in diesem Alter nur ungern allein an diesem Fluss entlangfahren lassen. Unscharf sah ich Schnüre aus ihren Ohren heraushängen. Sie hörte also nebenher Musik.
    Seit Janines Unfall wusste man ja, dass allerhand geschehen konnte, wenn sich so junge Dinger nicht richtig konzentrierten. Marlies gab mir deshalb die Schuld.
    Janine? Janine! War sie wirklich so verwirrt gewesen? War es nicht merkwürdig, dass ihr ausgerechnet jetzt so etwas zugestoßen war, nachdem ich sie gefragt hatte, wen und was sie da oben im ersten Stock gesehen hatte?
    Die Kleine war bekanntlich höchst interessiert an Geld und allem, was man dafür kaufen konnte, und sie war raffiniert.
    Nahmen wir mal an …
    Langsam stand ich auf, ging ein paar Schritte aufs Wasser zu, kickte einen Stein über den Rand. Er fiel mit einem satten Laut ins Wasser. Nahmen wir mal an, Janine hatte uns nicht alles erzählt, was sich an jenem Abend im ersten Stock abgespielt hatte. Nahmen wir mal an, ihr war die Brisanz ihres Wissens durchaus bewusst. Und nahmen wir mal weiterhin an, dass sie versucht hatte, aus der Sache ein wenig Extrakapital für sich herauszuschlagen.
    Sie sei ja »so durcheinander« gewesen. Sie konnte deshalb am Tag nach dem Gespräch mit mir nicht in die Schule gehen und blieb allein zu Hause. Nachmittags allerdings war dasselbe Kind durchaus in der Lage, mit der Straßenbahn in die Stadt zu fahren und sich dort mit jemandem zu treffen. Auf dem Rückweg war das Unglück geschehen.
    Alles bloß ein Zufall? Und wenn Janine versucht hatte, Erpresserin zu spielen? Morgens hatte sie bei dem Mann, den sie gesehen hatte, angerufen, und nachmittags hatte sie ihn getroffen. Hatte Geld dafür gefordert, dass sie nichts erzählte.
    Der so Bedrohte wusste, was wir alle wissen, die wir Krimis lesen und durch jahrzehntelanges Fernsehen geschult sind: Man wird einen Erpresser nicht mehr los. Außer man bringt ihn um! Bei einem Kind mochte auch ein deutlicher Warnschuss reichen.
    Ja, dachte ich und sah die kleine Pfälzerin auf der anderen Rheinseite in einen Feldweg einbiegen, der vom Ufer weg ins Dorf Neuburg führte. Janine war buchstäblich zu Tode erschrocken, denn sie war brutal gewarnt worden. Hatte sie das Auto und seinen Fahrer wirklich nicht erkannt? War es wirklich ein »Porsche oder so ähnlich« gewesen, oder hatte sie uns bewusst in die Irre geführt?
    Ich musste noch einmal mit dem Kind reden.
    »Wie geht es Janine, Marlies?«
    Meine Bekannte,

Weitere Kostenlose Bücher