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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
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fällt immer mal eine Stunde aus! Zum Leidwesen unserer überehrgeizigen modernen Eltern.«
    »Ach, nein. Eine Freistunde! Das Wort erinnert mich an meine Kindheit. Wie schön. Hättest du was dagegen, wenn ich ein bisschen was mit den Kindern mache? Ich könnte mit ihnen spielen. Galgenmännchen. Kennt man das noch? Oder ein Quiz. In mir steckt nämlich auch eine verhinderte Pädagogin. Und wann habe ich schon mal die Gelegenheit, mit kleinen Kindern zu spielen? Enkel sind nicht in Sicht. Und außerdem bin ich ja nun schon da …«
    Regina sah mich misstrauisch an. »Du? Darauf wär ich nie gekommen. Also gut. Aber nur diese eine Stunde. So was kann ich eigentlich nicht machen. Versicherungsrechtlich. Keinesfalls darfst du mit den Kindern das Gebäude verlassen oder ihnen erlauben, auf dem Gang herumzulaufen.«
    »Ich werde sie in Schutzhaft nehmen. Danke, Regina. Siehst du – gerade in den einfachen Dingen liegt so viel Freude.«
    Regina schüttelte den Kopf und musterte mich verwirrt und misstrauisch.
    »Du hast dich auch verändert, Swentja. Erst sieht man dich mit einem ziemlich verwegenen Typen wie diesem Kripokommissar Kaffee trinken, der mit Sicherheit nicht in dein übliches Beuteschema passt, dann willst du mit kleinen Kindern anstatt mit teuren Sachen spielen …«
    »Alles ist im Fluss, Regina!«
    »Also gut. Klassenzimmer 124. Da am Ende des Flurs.«
    Eine Stunde später waren meine Nerven zerfetzt. Ich hatte beim Spielen insgesamt drei Mal am Galgen an der Tafel gebaumelt, da ich die entsprechenden Buchstaben falsch geraten hatte und nicht auf Wörter wie »Vollhonk« (was heutzutage so etwas wie »Idiot« bedeutet) gekommen war, und mein Van-Laack-Kostüm trug die Spuren eines Schwamms voll Kreidewasser, mit dem die Kinder mich beworfen hatten, als ich mich umdrehte.
    Doch ich hatte bekommen, was ich wollte: den vollen Namen von Jens (Gramlich) und sogar seine Adresse (»In unserer Hausreihe, direkt am Spielplatz! Murgstraße!«).
    Des Weiteren wusste ich, dass Friederike beliebt gewesen war, gut und lustig singen konnte, oft mit den Kindern getanzt hatte, »auch mal ganz doll verrückt«. Diese Kinder hier waren jetzt in der vierten Klasse, doch es waren drei Wiederholer unter ihnen, die Friederike von der letztjährigen Vierten noch kannten.
    Sie hatte die für manche Eltern lebenswichtige Entscheidung zwischen »Real oder Gymi« offenbar nicht leichtfertig getroffen, sondern sich Mühe bei der Bewertung gegeben. Die drei zurückgestellten Kinder hatten sie als »gerecht« bezeichnet. Vorsichtig auf Jens angesprochen, wurden diese drei Kinder verschlossen. Er sei »komisch« gewesen und seine Mama »nicht so richtig nett«.
    Nach einer Stunde verabschiedete ich mich ohne Wehmut. Die Begeisterung, mit der sich manche Damen aus unseren Kreisen ins Ehrenamt stürzten und mit kleinen Kindern lernten, Theaterstücke probten oder gar den Haushalt überforderter Alleinerziehender managten, vermochte ich nicht zu teilen. Auf der Suche nach einem tieferen Sinn in meinem Leben wollte ich möglichst mit gut angezogenen Erwachsenen zu tun haben.
    Das Urteil der Kinder, Frau Gramlich sei »nicht so richtig nett«, musste ich leider bestätigen, als ich ihr kurz darauf in persona gegenüberstand. Sie war ein Frauentyp, mit dem mich nichts, aber auch gar nichts verband.
    Eckig, mittelgroß, ungeschminkt. Um den Kopf herum kleine braune Locken, die hinter die Ohren gequetscht waren, harte dunkle Augen wie polierte Knöpfe und ein Mund, der nichts als strenge und frustrierte Humorlosigkeit verhieß.
    »Ja, was wollen Sie?«
    Der Shakespeare’sche Lügenköder musste wieder ran.
    »Mein Name ist Tobler. Ich bin eine Art … Autorin. Arbeite in gewissem Sinne mit dem Schulamt zusammen. Wir beleuchten die Problematik der Schulempfehlung in der vierten Klasse, und Sie«, ich warf einen Blick auf eine imaginäre Liste vor mir, »stehen auch hier drauf. Sie haben eine Tochter, die jetzt in der fünften Klasse im Gymnasium ist. Würden Sie mir bitte von Ihren Erfahrungen berichten?«
    Trick! Normalerweise wäre sie misstrauisch geworden. Da ich aber von einer Tochter sprach, war ihr Hirn zunächst vollkommen damit ausgelastet, mir in diesem wichtigen Punkt zu widersprechen.
    »Da liegen Sie vollkommen falsch!«, giftete sie erwartungsgemäß. »Ich habe einen Sohn!«
    Dieses »Haben« hörte sich bei ihr an wie ein Bankkonto, ein Besitz!
    Ich blickte ernst auf meine Liste. »Moment … Gramlich … Gramlich … richtig,

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