Tod Im Anflug
Tom nun wirklich nicht. Zeit also zu gehen. Er hüpfte von seinem Klappstuhl, quakte »Auf Wiedersehen« und watschelte los.
»Tschüss, Nili«, rief Ede ihm hinterher.
»Tja, dann will ich auch nicht weiter stören und mich der Gans mal anschließen«, sagte Bernd mit einem spöttischen Blick in Richtung Tom. »Also bis morgen, Ede.«
Dieser Tag hatte es ganz schön in sich gehabt, dachte Tom, während er in Richtung See ging. Zuerst die Befragung Optimas, dann Alex im Müll und gleich im Anschluss Amulets Zeugenaussage mit dem beängstigenden Ergebnis, dass er nun auch noch den Riffler suchen musste. Ausgerechnet den! Aber jetzt wollte Tom diesen aufregenden Tag erst einmal mit einem wohligen Bad ausklingen lassen.
Auf dem Campingplatz und dem daran anschließenden Hafengelände machte sich abendliche Gemütlichkeit breit. Vereinzelte Nachzügler kehrten gemächlich mit ihren Booten in den schützenden Hafen zurück. Hundebesitzer führten nach den
heute
-Nachrichten ihre Vierbeiner aus, andere Flügellose unternahmen paarweise einen kleinen Spaziergang. Je weiter er sich vom Zentrum des Campingplatzes entfernte, umso mehr Hunde begegneten ihm mit ihren Herrchen. Auch Lotte, die Tom im Gespräch mit Hafenmeister Jupp sah, führte ihren Dackel aus. Balu kläffte wie immer. Zum Glück war er angeleint und stand ohnehin weit genug entfernt, um gefährlich werden zu können.
Wo steckte eigentlich Tiger, kam es Tom in den Sinn. Denn der war noch mal ein ganz anderes Kaliber als Balu. Sogar Luzie schien ihn zu vermissen und hatte ja auch schon Jupp nach ihm gefragt. Nicht, dass Tom der Kater fehlte, ganz und gar nicht – aber es war dennoch seltsam, zumal nun sein Herrchen Alex tot war.
Ob Tigers Verschwinden etwas mit Neptunus’ Tod zu tun hatte? Tom wusste es nicht, was er allerdings mit Sicherheit wusste, war, dass es keine offensichtlichen Spuren an dem Reiher gegeben hatte, die auf einen Kampf mit einem Kater schließen ließen. Außerdem standen Amulets Beobachtungen dem entgegen. Neptunus’ einzige Verletzung war das Loch in seiner Brust gewesen. Es gab keine tiefen, parallel verlaufenden Krallenspuren, keine ausgerissenen Federn, an denen noch Hautfetzen klebten. Solche Anzeichen für einen Kampf hätte Tom selbst bei nur flüchtiger Betrachtung nicht übersehen. Die Wunde musste Neptunus demnach zugefügt worden sein, nachdem er umgekippt war. Also doch der Riffler?
Tief in Gedanken versunken watschelte Tom den Weg entlang und schaute weder links noch rechts. Möglicherweise war es auch alles ganz anders. Es war zum Beispiel durchaus möglich, dass sich Tiger und Neptunus bei der Futtersuche auf dem Campingplatz begegnet waren. Verfressen waren schließlich beide. Würde ein Kater wie Tiger einen jungen Reiher gnadenlos vertreiben, wenn es ums Futter ging? Und ob er das tun würde! Futterneid zwischen einem Reiher und einem Kater – vielleicht ein bisschen weit hergeholt. Oder auch nicht, vor allem, wenn es das Richtige zu fressen gab. Wie etwa Fisch. Den mochten Katzen und Reiher. Vielleicht hatte Tiger Neptunus beim Vertreiben von einer ergiebigen Futterstelle einen derartigen Schock versetzt, dass dieser auf wackligen Beinen zum See getaumelt und schließlich umgekippt war: Herzinfarkt. Und Tiger hielt sich nun aus Reue versteckt – wer wusste schon, was in den Köpfen von Katern vor sich ging.
»Balu! Balu! Komm hier her!«, drang es wie durch Watte an Toms Ohr. »Hier, bei Fuß!« Lotte rief mit heller Stimme nach ihrem Dackel. Erst das immer lauter und bestimmter werdende Rufen holte Tom aus seinen Gedanken in die Realität zurück. Etwas Schnelles, Dunkles kam auf ihn zugerannt.
»Balu! Aus jetzt. Schluss. Hierher!« Lotte hastete hinter ihrem Hund her und versuchte die Leine zu erreichen, die Balu seit seiner Flucht hinter sich herzog. Keine Chance. So kurz und krumm seine Beinchen waren, so schnell war er auch.
Tom reagierte wie sonst auch. Sofort öffnete er seine Flügel mit dem Geräusch eines sich öffnenden Regenschirms und wedelte damit. Damit hatte er bei Hunden noch immer Erfolg gehabt. Doch Balu war kein Hund, sondern ein Dackel. Der ließ sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Wer Dachse jagte, ließ sich von ein paar im Wind flatternden Federn nicht verschrecken. Er hatte Tom fest im Visier.
Auch Jupp hatte sich inzwischen auf die Jagd nach Balu gemacht und versuchte, ihm mit langen Schritten den Weg abzuschneiden. Die Verfolgungsjagd wurde mit großem Interesse und
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