Tod Im Anflug
einer Portion Schadenfreude beobachtet. Viele Hundebesitzer waren einfach nur froh, dass es nicht ihr Hund war, der sich so frech selbständig gemacht hatte und nun auf eine Gans zujagte.
Doch das nutzte Tom nichts. Er brauchte einen Plan B. Noch nie hatte er einen Plan B gebraucht, er hatte gar keinen Plan B. Ihm blieb nur die Hoffnung, Lotte und Jupp fingen den Ausreißer ein, oder … die Flucht.
Flink wendete er auf der kleinen hinteren Zehe und machte mit schnellen Watschelschritten Tempo. Mit noch immer geöffneten Flügeln versuchte er, davonzufliegen, doch der Anlauf war zu kurz, die nächste Hecke einfach zu nah. Tom blieb nur eines: Flügel einziehen und ab durch die Hecke!
Hinter ihm jaulte und kläffte Balu ziemlich verärgert. Lotte hatte ihn wohl doch noch eingefangen. Mit klopfendem Herzen hockte Tom zwischen den Heckenbüschen und erholte sich von der Attacke. Er rang noch immer um Fassung, als sich seine Nackenfedern plötzlich aufstellten.
Sein Unterbewusstsein hatte bereits erkannt, was seine Augen noch ungläubig anstarrten. Blitzende, messerscharfe weiße Zähne in einem weit aufgerissenen Maul.
Blitzende Zähne in Tigers Maul.
In Tigers totem Maul.
10
Kaum lugte die Sonne über den Horizont, machte Tom sich auf den Weg zum Campingplatz und steuerte Luzies Parzelle an. In der Nacht hatte es geregnet. Die aufgehende Sonne verwandelte die feuchte Wiese in einen glitzernden Perlengarten. Doch für ein solches Naturschauspiel hatte Tom keine Zeit. Binnen kurzem würden hier die Kommissare auftauchen, das war so sicher wie der Vogelzug im Winter. Luzies Befragung wollte er sich auf keinen Fall entgehen lassen. Und da nur der frühe Vogel den Wurm fängt, schlich Tom schon auf den feuchten Rasenflächen um ihren Wohnwagen herum, noch bevor der erste Kaffeeduft über den Campingplatz zog.
Die Wartezeit nutzte er, um zarte Gräser zu zupfen und seinen Fall noch einmal zu überdenken. Nun war also auch noch Tiger tot. Was unterschied die drei Leichen, und was verband sie? Alle drei wurden auf dem Campingplatz gefunden, doch die Fundorte lagen recht weit auseinander. Und nur Neptunus hatte eine Wunde, Alex’ und Tigers Körper waren unversehrt.
Die deutlichste Verbindung waren ihre offen stehenden Futterluken. Atemnot? Hilferuf? Beides war möglich. Eine letzte, merkwürdige Gemeinsamkeit war die helle Farbe ihrer Rachenschleimhäute.
Moment, die Farbe … natürlich! Dass er daran nicht früher gedacht hatte! Diese rosa Färbung wies laut Gil Grissom eindeutig auf eine Vergiftung hin.
Vergiftet.
Ein Giftmischer – hier auf dem Campingplatz?! Vielleicht hatten ja alle das Gleiche gegessen. Allerdings hatte Alex noch einen ganzen Tag länger gelebt als Neptunus. Wann genau Tiger gestorben war, ließ sich nicht genau bestimmen, aber dem Zustand und Geruch nach zu urteilen, war er sicher schon zwei bis drei Tage tot. Der Kater hatte eigenartig gerochen, ganz ähnlich wie Neptunus. Ob das das Gift war?
Toms Gedanken wurden unversehens unterbrochen, als er die Kommissare vom Vortag wie erwartet auf Luzies Vorzelt zusteuern sah.
Schnell tarnte er sich als hungrige Gans und zupfte weiter an den Grashalmen herum. So ahnte niemand von seiner eigentlichen Mission, seinem Lauschangriff.
Die beiden Kommissare klopften an die Plastikwand des Wohnwagens und riefen nach Luzie Breetz, die auch gleich im Vorzelt erschien und die Männer hereinbat. Mit Ohren, die jeden Elefanten stolz gemacht hätten, verfolgte Tom das Gespräch im Inneren des Caravans.
»Nochmals mein Beileid, Frau Breetz«, sagte eine tiefe, rauchige Stimme mitfühlend. Sie gehörte dem untersetzten, dunkelhaarigen Kommissar, wie Tom sich gemerkt hatte. »Wir sprachen gestern ja schon einmal ganz kurz miteinander. Geht es Ihnen heute etwas besser?«
Luzie schniefte. Ihre Antwort war leise und schwach. »Ja, ein bisschen. Der Arzt war hier und hat mir etwas zur Beruhigung gegeben. Danke, dass Sie ihm Bescheid gegeben haben.«
»Keine Ursache. Sind Sie nun in der Lage, uns ein paar Fragen zu beantworten?«
Da Luzies Antwort nicht zu hören war, nahm Tom an, dass sie genickt hatte, denn der Kommissar sprach taktvoll weiter.
»Unsere Befürchtungen haben sich leider bestätigt. Ihr Mann ist keines natürlichen Todes gestorben, er wurde ermordet. Leider ist das alles, was wir bisher aus der Gerichtsmedizin in Erfahrung bringen konnten … die haben viel zu tun dort«, entschuldigte sich der Kommissar. Luzies Schniefen verstärkte
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