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Tod Im Anflug

Titel: Tod Im Anflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gefieder mit dem Schnabel, bevor er antwortete. »Wenn Ferien sind, ist ja immer viel los auf dem Platz, oft bis spät in die Nacht. An dem Abend habe ich diesen Bernd gesehen. Er ist um das Restaurant geschlichen, hat sich an die Hauswand gedrückt und vorsichtig durch die großen Fenster geguckt. Ich habe mich gefragt, was der da macht.«
    Tom konnte sein Glück kaum fassen. Der Riffler war ein Zeuge, wie ihn selbst
Magnum
nur selten hatte. Diesen undurchsichtigen Bankräuber hatte Tom sowieso auf dem Kieker, seit er Bernd begegnet und dessen Telefonat mit angehört hatte.»Nun sag schon, was hat er gemacht?«
    »Er schien jemanden zu beobachten. Doch als die Tür des Restaurants immer wieder mal aufging, hat er sich aus dem Staub gemacht und ist dabei fast mit einem anderen Flügellosen zusammengestoßen.«
    »Wie sah der aus? Kannst du ihn beschreiben?«
    »Er war groß, ziemlich kräftig und irgendetwas blitzte an seinen Ohren auf, je nachdem, wie er sich zum Licht drehte. Mehr kann ich dir nicht sagen, ich kannte ihn nicht.«
    Das war Charlie. Bernd und Charlie waren sich also vor dem Restaurant begegnet. Darüber musste Tom in Ruhe nachdenken, sobald der neue Tag anbrach. Doch jetzt war es immer noch tiefschwarze Nacht. Irgendwo am Ufer quakten ein paar aufgewachte Enten in die Dunkelheit.
    »Eine letzte Frage habe ich noch, wenn du gestattest. Eine persönliche«, wechselte Tom das Thema.
    »Persönlich? Ach so, ich denke, ich weiß, was du wissen willst.« Der Riffler presste die kräftigen Schnabelhälften aufeinander.
Das schon wieder!,
schien er zu denken.
    »Stimmt es denn?«
    »I wo. Keine Spur. Alles erfunden, das meiste zumindest.«
    Auf einmal flüsterte der Riffler.
    »Erfunden? Wieso erzählen die Altvögel den Küken und Gösseln dann so einen Guano. Märchen von einem Riffler, der Küken frisst.« Tom war aufgebracht und sauer. Wie oft hatte er seine Mutter zu ihm und seinen Geschwistern schnattern hören:
Passt schön auf, sonst holt euch der Riffler!
    »Leise! Was wir hier besprechen, geht niemanden etwas an«, mahnte der Riffler eindringlich und fuhr gedämpft fort. »Na ja, vielleicht wissen sie es nicht besser. Denn, das muss ich leider zugeben, so ganz frei erfunden sind sie doch nicht, diese Geschichten.«
    »Wie das?«, flüsterte Tom verwirrt.
    Der Riffler druckste ein wenig herum. Tom konnte ihm ansehen, dass er die ganze Sache lieber für sich behalten hätte. Schnabelknirschend begann der Rabe mit seiner Erklärung. »Diese Geschichten gehen auf meinen Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater zurück – und ich leide heute noch darunter.«
    »Leiden? Worunter?« Tom verstand nicht.
    »Unter seiner Fressgier. Der alte Vielfraß … Es war eine schlechte Zeit damals, und das gefiederte Volk hungerte. Viele Küken starben in ihren Nestern und mein Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater hatte natürlich auch Hunger. Er stibitzte die toten Küken aus den Nestern und sicherte damit sich und seiner Sippe das Überleben. Seitdem wird meine Familie für das Verschwinden eines jeden Kükens verantwortlich gemacht. Ganz gleich, ob es ertrinkt, vom Hecht verschluckt oder von einer Katze gefressen wird – immer ist es der Riffler gewesen. Die Geschichten haben sich verselbständigt. Ich habe da keinen Einfluss drauf. Jeder erzählt, was er will.«
    »Oh, ich verstehe.« Verständnisvoll nickte Tom mit seinem graubraunen Kopf.
    »Aber trotzdem«, flüsterte der Riffler weiter, »erzähl es niemandem, ja? Du bist außerhalb meiner Familie der Einzige, der jetzt die wahre Geschichte kennt. Halt den Schnabel, ja, versprich es. Wir würden sonst den Respekt und das Ansehen in der Welt der Gefiederten verlieren. Das möchte ich nun auch wieder nicht. Ist ja auch ganz nett, dass viele Familien ihre Söhne mit Zweitnamen Riffler nennen, weil sie hoffen, dass sie durch diesen Namen groß und stark werden.«
    »Alles klar, Riffler. Ich sage kein Wort. Ich schwöre es.« Tom öffnete seine rechte Schwinge, spreizte die beiden letzten Federn ab und quakte ganz feierlich:
    »Ehrenwort.«

14
    »Also, jetzt noch mal zur Faktenlage«, sagte Rio und wedelte wohlig mit ausgebreiteten Flügeln kleine Wassertropfen aus seinem Gefieder, denn in seinem Bauch zappelte bereits ein Frühstücksfisch.
    Es war kurz nach Sonnenaufgang, und es versprach, wieder ein schöner, warmer Tag zu werden. Der Himmel war wolkenlos, nur ein kühles Morgenlüftchen wehte den Freunden über den Schnabel. Auf dem Campingplatz war es noch still. Bis er zum Leben

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