Tod Im Anflug
das hatte es noch nie gegeben.
Als dann auch noch Kommissar Hump erschien, sich mit Neuner unterhielt und zu guter Letzt auch noch Jupp regelrecht abführte, hielt Tom nichts mehr dort. Rasch flog er auf die Wiese vor den Fenstern des Polizeibüros und sperrte die Ohren auf. Offenbar hatten die Polizisten sich gestern Abend noch die Fotos vorgenommen, nachdem Rio seinen Lauschposten verlassen hatte. Und genau wie Tom hatten sie Jupp darauf erkannt und hinsichtlich Alex und einer möglichen Erpressung wohl eins und eins zusammengezählt. Als ermittelnder Ganter war man den Flügellosen zwar immer noch eine Schnabelspitze voraus, aber so langsam kamen sie in Gang, fand Tom. Sein Hinterteil schaukelte nervös, fahrig ordnete er einige Brustfedern. Er fieberte der Vernehmung entgegen und hoffte bloß, der Staatsanwalt möge Jupps Verhör nicht in andere Räume verlegen – in die fast baumfreie Kreisstadt zum Beispiel, wo ein Belauschen kaum möglich war.
Um die nervenaufreibende Wartezeit zu verkürzen, watschelte er um das Hafenmeistergebäude herum, dem Staatsanwalt entgegen. Möglicherweise war der wegen etwas aufgehalten worden, das auch für Toms Ermittlungen wichtig war. Als er an der gläsernen Eingangstür vorbeiging, warf er einen kurzen Blick hindurch. Vor dem Polizeibüro saß Jupp auf einem Stuhl, mit eisigem Blick und sprungbereit wie eine Katze. Aber es waren keine Handschellen, die den mutmaßlichen Kapitalverbrecher an der Flucht hinderten, zwei kräftige Mitglieder des gemeinnützigen Vereins »110« hatten diesen Part übernommen.
Jupps frostiger Blick brachte Tom auf eine neue Idee. Denn mit diesem Blick bedachte Jupp ihn immer, wenn er ihn auf dem löchrigen Rasen vor dem Polizeibüro entdeckte. Jupp mochte ihn nicht, wahrscheinlich mochte er generell keine Gefiederten, und auch für Flügellose schien er keine allzu großen Sympathien zu hegen, wenn man an seinen Streit mit Bernd dachte. Nur aufgrund dieser Abneigungen hatte er Neptunus so eiskalt in den Container werfen können – und da sich dieser Entsorgungsort bewährt hatte, hatte er ja vielleicht auch Alex dort hineingeworfen. Möglicherweise hatte Rio mit seiner Theorie vom Serienwerfer doch nicht so ganz unrecht gehabt.
Weiter kam Tom mit seinen Überlegungen nicht. Der Staatsanwalt kam jetzt mit großen Schritten auf das Gebäude zu. Es wurde höchste Zeit, den Horchposten wieder zu beziehen.
Gerade als Jupp von Neuner durch die Tür geschoben und auf den gleichen Platz gesetzt wurde, auf dem bereits Luzie und Charlie gesessen hatten, erreichte Tom sein Ziel. »So, Herr Doll, fürs Protokoll«, hörte Tom den Staatsanwalt die Vernehmung eröffnen, nachdem er sich vorgestellt hatte. »Wir haben Sie vorläufig festgenommen, weil hinreichender Tatverdacht auf Steuerhinterziehung durch illegalen Dieselverkauf besteht. Es steht Ihnen frei, sich zur Sache zu äußern oder nicht. Ebenso können Sie jederzeit einen Rechtsbeistand hinzuziehen. Zu Ihrer eigenen Entlastung ist es aber sinnvoll, wenn Sie sich in vollem Umfang äußern. Haben Sie das verstanden?«
Jupp nickte. Nach der Durchsuchung der Bunkerstation und der Kontrolle etlicher Bootstanks musste ihm klar gewesen sein, worauf es die Ermittler abgesehen hatten. Seine ganze Körperhaltung schrie inzwischen förmlich: Erwischt! Er sah aus, als würde es nicht mehr lange dauern, bis er alles gestand. Alles, von falscher Mülltrennung bis hin zu brutalem Mord.
»Ihr Name ist Josef Doll, Sie sind dreiundfünfzig Jahre alt, geschieden, und betreiben hier den Campingplatz und den daran angeschlossenen Hafenbetrieb. Ist das korrekt so?« Neuner hatte sich lässig gegen Reiners’ Schreibtischplatte gelehnt, während die beiden Kommissare schweigend auf ihren Plätzen saßen.
»Ja, stimmt. Sagen Sie Jupp zu mir, das tun alle hier.«
»In Ordnung, Jupp. Kommissar Hump hat gestern Abend eine sehr interessante Entdeckung gemacht und mich noch spät angerufen. Er hat sich Fotos, die er von unserer Spurensicherung zugeschickt bekommen hat, genauer angesehen. Und dabei sind ihm sowohl eine Bunkerstation als auch ein Tankwagen aufgefallen. Ein Tankwagen, der mitten in der Nacht anliefert – was sagen Sie dazu, Jupp?«
Jupp reagierte nicht und blieb stumm sitzen. Tom jedoch nickte beifällig. »Weiter so, dranbleiben«, munterte er den Staatsanwalt leise schnatternd auf. Die Flügellosen waren tatsächlich auf der richtigen Spur. Die Sache mit dem Diesel hatten sie also bereits
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