Tod Im Anflug
kehrte allmählich wieder Ruhe auf dem Campingplatz ein. Dennoch hatten sie reichlich Gesprächsstoff hinterlassen. Während sich die Camper über den Hafenmeister und die Witwe das Maul zerrissen, ging unter den Bootsbesitzern die blanke Angst um. Neuner hatte unmissverständlich klargestellt, dass er den Hafen überschwemmen würde – mit einer Prozesswelle.
Die Kommissare nutzten den Abzug der Kollegen für eine Mittagspause und steuerten den Kiosk mit seinen einladenden Biertischen an, wo sie Kaffee und belegte Brötchen kauften. Etwas windgeschützt waren die Temperaturen hier recht angenehm und schon etliche Tische besetzt. Kinder schleckten mit großen Augen Eisbecher, Camper und Besucher ließen es sich bei Fritten, Würstchen oder Eintopf gutgehen. Wortfetzen, Lachen und gedämpfte Musik hingen in der Luft. Tom folgte den Kommissaren nur zu gerne. Er wusste, wo fröhliche Flügellose waren, hatte man auch ein Herz für ausgehungerte Gänse. »Sieh nur, Konny. Die Gans ist wieder da. Pass auf dein Brot auf, sonst hast du gleich keins mehr«, feixte Hump. Er hatte Tom und seine Absicht anscheinend gleich erkannt. »So langsam gehen uns die Verdächtigen aus, oder?«, meinte er, nachdem sie sich gesetzt hatten, und rührte in seinem Kaffee. »Im Moment wüsste ich niemanden, der noch als Täter in Frage käme.«
»Zum Glück brauchen wir nur noch einen Täter zu suchen. Vorhin ist der Obduktionsbericht von Stegner gekommen. Endlich. Tut mir leid, bei dem ganzen Trubel um den Hafenmeister habe ich fast vergessen, dir ein Update zu geben. Also: Bernd Stegner ist tatsächlich erstickt. Das austretende Propangas hat den Sauerstoff im Wohnwagen verdrängt. Laut SpuSi-Bericht war die Wartung seiner Gasanlage tipptopp in Ordnung. Der Fehler steckte in dem Teilstück, das Stegner selbst prüfen wollte. Außerdem hatte er den kleinen Absperrhahn unter der Spüle nicht geschlossen. Viele Camper machen das so, weil es einfach lästig ist, den Hahn jedes Mal fürs Kochen zu öffnen und dann wieder zu schließen. Aber genau dieser offene Absperrhahn hat das Gas ungehindert von der Flasche bis zum Herd fließen lassen, und da ist es dann an der undichten Schraubverbindung ausgetreten. Also, wenn du mich fragst, Peter, hätte er die paar Euros noch investieren sollen und diesen Heizungs-Ede alles kontrollieren lassen sollen.« Reiners pustete in seine heiße Kaffeetasse und nahm einen Schluck, bevor er seine Erläuterungen fortsetzte. »Außerdem war er nicht mehr ganz nüchtern. Genau das hat ihn wahrscheinlich das Leben gekostet, denn mit 1,2 Promille Alkohol im Blut und der entsprechenden Bettschwere hat er wohl weder das Ausfließen des Gases gehört noch den für solche Fälle beigemischten Geruch bemerkt. Das Gas hat ihm im Schlaf geradezu das Hirn vernebelt. Er hat sich selbst keine Chance gelassen. Der Fall ist abgeschlossen.«
»Vielleicht hat er ein bisschen viel gefeiert. Ein Prosit auf die frischgebackene Witwe.«
»Du bist ganz schön sarkastisch.«
»Überleg doch mal: Als Mörder von Breetz kommt Stegner immer noch in Frage. Er könnte der Witwenmacher sein. Er ist rasend eifersüchtig, lungert am Restaurant herum, sieht die Versöhnung und ihm brennen alle Sicherungen durch. Er wartet, bis die beiden Turteltauben das Restaurant verlassen, und als Breetz alleine an den Containern zurückbleibt, wittert er seine Chance. Stegner verwickelt ihn in ein kurzes Gespräch, hat berechnenderweise ein Bierchen oder ein Schnäpschen dabei – Zyankali drin und schon ist Breetz tot. Und nun ist sie sein, die kühle Blonde.«
»Das zu beweisen wird schwierig sein, denn Stegner ist ja tot. Selbst wenn die Ehefrau etwas ahnt, wird sie nichts sagen, um nicht selbst in Verdacht zu geraten.« Nach einem weiteren Schluck Kaffee führte Reiners seine Überlegungen fort. »Zyankali ist eigentlich das Gift der Selbstmörder. Dass es in unserem Fall als Waffe eingesetzt wurde, erstaunt mich schon sehr. Der Labornachweis ist ja inzwischen recht einfach. Eigentlich braucht man keine aufwendige Technik, sondern nur eine gute Nase, denn in der Regel strömt eine Zyankalileiche einen feinen Bittermandelgeruch aus. Leider gehöre ich zu dem überwiegenden Prozentsatz der Bevölkerung, der diesen Geruch aus genetischen Gründen nicht wahrnehmen kann.«
»Das geht mir auch so«, bekannte Hump. »Sonst hätten wir das Gift noch vor Ort selbst bestimmen können und nicht erst auf den Autopsiebericht warten müssen.«
Im Gegensatz zu
Weitere Kostenlose Bücher