Tod Im Anflug
den Kommissaren war Tom stolz auf seine Nase. Multifunktionale Gänseschnäbel mit integrierter Nase gefielen ihm sowieso viel besser als die unästhetischen und simplen Riechorgane der Flügellosen. Schließlich hatte seine Nase das Gift gleich gerochen, auch wenn er dessen Namen nicht gekannt hatte.
»Wie kommt man an so ein Gift? Ich glaube nicht, dass es einfach zu beschaffen ist, so wirksam wie Zyankali ist«, überlegte Hump laut.
»Genau wegen dieser Toxizität wird das Zeug auch streng unter Verschluss gehalten. Hauptsächlich wird es in Apotheken, in Fotolaboren und in der Schmuckindustrie gebraucht – und mit alledem hatte Stegner nichts zu tun.«
»Und trotzdem ist Breetz mit Zyankali umgebracht worden.«
»Das heißt für mich nichts anderes, als dass sein Mörder seinen Todeskampf hautnah miterlebt haben muss. Er muss quasi daneben gestanden haben, als Breetz um Atem geröchelt hat. Was muss das für ein Mensch sein?«
»Er kann also nicht im Restaurant vergiftet worden sein. Dort ist er nachweislich auf seinen eigenen Beinen hinausgegangen.«
»Genau. Er muss vor dem Restaurant auf jemanden getroffen sein, dem er dermaßen vertraut hat, dass er von ihm etwas zu trinken angenommen hat – gegessen hatte er ja schon.«
»Siehst du, und wieder kommt der halbe Campingplatz in Frage.«
»Was sagt denn der Autopsiebericht über seinen Mageninhalt? Gab es etwas, das nicht zu diesem Versöhnungsessen passt? Einen Schnaps oder ein Bierchen, irgendwas, das er nicht im Restaurant getrunken hat?«
»Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich muss den Bericht noch mal genau lesen, ich habe ihn vorhin nur überflogen. Zusätzlich möchte ich sowieso noch einmal mit Professor Körner aus der Rechtsmedizin reden. Ich denke, in einem Gespräch mit ihm kann ich mehr erfahren, als ich je aus seinem keimfreien Autopsiebericht entnehmen kann.«
Reiners packte Serviette und Pappbecher zusammen und wollte aufstehen, doch Hump hielt ihn zurück. »Bevor du das machst, muss ich dich auch noch auf den neuesten Stand bringen. Ich glaube zwar nicht, dass es noch von Bedeutung ist, aber wissen solltest du es trotzdem.«
Nun wurde auch Tom wieder aufmerksam. Bisher hatte er das Gespräch der Kommissare zwar verfolgt, aber gleichzeitig erfolgreich nach Flügellosen Ausschau gehalten, die man mit Blicken oder leisem Schnattern dazu auffordern konnte, etwas von ihrem Brot abzugeben.
»Du machst es aber spannend. Los, raus mit der Sprache.«
»Ich hatte noch den Verbindungsnachweis von Charlie Müller auf meinem Tisch. Den wollte ich Neuner zur Vervollständigung seiner Akte mitgeben. Bisher haben wir die Liste ja nicht benötigt, trotzdem habe ich einen kurzen Blick darauf geworfen. Und dabei sind mir zwei Rufnummern aufgefallen, die er in letzter Zeit recht häufig angerufen hat. Ich habe sie überprüft, rein routinemäßig sozusagen. Was meinst du wohl, wessen Nummern das waren?«
»Bin ich hier beim Ratequiz?« Man konnte es Reiners ansehen, dass er auf Rätselraten keine Lust hatte.
»Bernd Stegner und Luzie Breetz.«
»Das ist aber interessant. Dass Charlie die Ehefrau des Opfers anruft, nun, das kann ich mir ja noch vorstellen. Aber dass Charlie und Stegner miteinander telefoniert haben, ist schon merkwürdig. Vor allem, weil weder Charlie noch die Ehefrau etwas in dieser Richtung erwähnt haben. Als Geliebte hätte sie doch etwas von solchen Gesprächen mitbekommen haben müssen.«
»Eben. Deshalb habe ich auch schon versucht, Charlie anzurufen. Bisher leider erfolglos.«
»Hast du was anderes erwartet? Der ist bestimmt abgetaucht – auf Nimmerwiedersehen.«
Ein Klingellaut ertönte, der stetig lauter wurde – Humps Handy. Der Kommissar kramte umständlich in seiner Jackentasche, bis er es schließlich gefunden hatte und dranging.
»Ah, Herr Müller, Charlie! Wie schön, dass Sie zurückrufen. Vielen Dank«, säuselte Hump und blinzelte Reiners aufgeregt zu. Der straffte sich und lauschte aufmerksam den Worten seines Kollegen. »Ja, ich habe noch eine Frage.«
…
»Charlie? Hallo? Die Verbindung ist schlecht. Hören Sie mich? Ich möchte wissen, warum Bernd Stegner mehrfach mit Ihnen telefoniert hat. Wir haben Ihren Verbindungsnachweis geprüft.«
…
»Was für ein Geschäft? – Charlie? Können Sie mich verstehen? Charlie?«
…
»So ein Mist, er hat aus dem Auto angerufen und jetzt ist die Verbindung abgebrochen. Ich habe nur verstanden, dass Stegner ein Geschäft mit ihm machen
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