Tod im Apotherkerhaus
selbst, welch viel beschäftigter Arzt ich bin. Und als ein solcher karre ich selbstverständlich die medizinische Ausrüstung zuerst an meinen neuen Wohnort.« »Sicher, Herr Doktor, sicher, nix für ungut, es war ja nur wegen der Vorschrift.« Kleinlaut trat Schwiers mit der Laterne beiseite, um den Weg über die Brücke frei zu machen. »Ich wünsch dann noch einen recht schönen Abend, Herr Doktor.« »Danke, Schwiers, ebenso.«
Erst hundert Schritte weiter fand Rapp die Sprache wieder: »Donnerwetter, das war knapp«, sagte er. »Deshalb also wolltet Ihr ein paar Dinge aus der Offizin mitnehmen.«
»Ganz recht, Herr Apotheker.« De Castro wirkte vergnügt. »Selbst ich als Physikus hätte meine liebe Not gehabt, eine Leiche auf dem Wagen zu erklären. Aber so, mit Euren Utensilien, wirkte doch alles recht glaubhaft.«
»In der Tat.«
»Dass der Wachtposten mich kannte, war natürlich zusätzliches Glück. Ich muss gestehen, ich erinnere mich nicht an den Mann, obwohl es beileibe nur wenige waren, die ich damals retten konnte. Ja, ja, die Pestilenz ist eine Geißel...« Schweigend gingen sie weiter, bis sie in den Brauerknechtsgraben einbogen und de Castro auf ein düsteres Gelände zusteuerte. Der Hof von Kroogmann's Gerberei war erreicht. Er maß wohl zehn mal fünfzehn Schritte im Geviert und wurde von einem alten, unbewohnten Holzhaus und einer fünf Fuß hohen. Mauer begrenzt. Er war gänzlich unbeleuchtet. Nur ein auf der anderen Straßenseite gelegenes Gebäude sandte mit seiner Außenlaterne ein paar schwache Strahlen herüber, doch auf der lichtabgewandten Seite der Mauer war es stockfinster. Und genau dort standen die Fässer. Der Physikus schien sich gut auszukennen. Geschickt dirigierte er den Karren durch das Tor, herum um Abfall und Gerätschaften, bis er an den hölzernen Behältnissen angelangt war. Er tat es, ebenso wie Rapp, in gebückter Haltung, denn auf diese Weise konnten sie von der Straße aus nicht gesehen werden.
De Castro flüsterte: »Wir müssen die Deckel der Fässer lösen und prüfen, in welchem sich Wasser befindet.« Sie nahmen die Abdeckungen nacheinander herunter, was in manchen Fällen nicht ganz einfach war, und streckten die Finger prüfend nach unten in die hölzernen Bäuche. Nicht jedes Fass barg noch seinen Inhalt, denn in dem halben Jahr seit dem Tod des alten Kroogmann hatte sich niemand um den Hof gekümmert, und in der Sommersonne war ein Großteil des Wassers verdunstet. »Wozu braucht ein Gerber nur so viele Wasserfässer?«, fragte Rapp, während seine Hand sich eine weitere Holzwand hinabtastete.
»Das weiß ich auch nicht, mein Freund. Ich weiß nur, dass Gerbstoffe in Wasser gelöst werden, bevor sie zum Einsatz kommen. Hoppla, ich glaube, wir haben gefunden, was wir suchen. In diesem Fass scheint sich genau die Menge zu befinden, die notwendig ist, um den armen Toten vollends zu bedecken.«
»Wohlan denn.« Rapp atmete einmal tief durch, holte das Nönnchen hervor und goss seinen Inhalt in das Fass. Dann griff er sich die bronzene Pistille und rührte das Gemisch einmal gut durch. »Fertig, Herr Doktor.«
»Ja, gut.« Die leise Stimme des Arztes klang belegt. »Ich muss gestehen, Herr Apotheker, die Planung, einen Menschenleib restlos zu zerstören, ist das eine, das andere ist die Ausführung. Und die fällt mir im Augenblick recht schwer. Sagt, wenn diese Flusssäure so ein Teufelszeug ist, wieso zerstört sie nicht die Wand des Fasses?«
»Sie wird es, Herr Doktor, schon in wenigen Tagen oder Wochen, doch bis dahin dürfte der Leichnam bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst sein, von Meinardus Schlich ist dann wohl nur noch Brei übrig.«
»Beim Höchsten - Sein Wille geschehe -, welch schauderhafter Gedanke! Aber ich denke, wir müssen tun, was getan werden muss.«
Die beiden Männer hoben den Leichnam vom Karren und legten den toten Körper vor dem Fass ab. Dann schoben sie mit einiger Anstrengung die Beine so zusammen, dass die Knie unter das Kinn gelangten. Rapp untersuchte noch einmal die Hände der Leiche und sagte: »Ich nehme dem Mann seinen Ring ab.« Dann fügte er schnell hinzu: »Nicht dass Ihr denkt, ich wollte mich bereichern, aber Gold trotzt sogar der Flusssäure.« »Tut das.«
Rapp drehte den Ring vom Finger. »Einzig Königswasser ist in der Lage, Gold aufzulösen.« »Ach, ja?«
»Königswasser ist eine Mixtur aus konzentrierter Salz- und Salpetersäure.« »Wenn Ihr es sagt.«
»Ja, das ist sie, das ist sie. Vielleicht
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