Tod im Apotherkerhaus
sie es kaum erwarten, ihn am Galgen zu sehen. Und wahrscheinlich würde der Scharlatan bereits heute, am Montag, wieder im Apothekenhaus erscheinen. Rapp grinste, schon halb im Schlaf. Auf das Gesicht des Imitators freute er sich schon jetzt.
Kapitel dreizehn,
in welchem der Stehler zum Bestohlenen wird und darüber nicht nur höchst entrüstet, sondern auch höchst beunruhigt ist.
R app stand am Fenster der Offizin und blickte zur Deichstraße hinaus. Es war Montagvormittag, elfeinhalb Uhr, das Wetter hatte sich nicht gebessert, und der Imitator war noch immer nicht da. Ob er erst morgen kommen würde?
Rapp beschloss, noch eine Weile zu warten. Er überprüfte das Türschloss zum wiederholten Male, ob es auch abgesperrt war, und spähte erneut die Straße hinunter. Da! Da kam er ja doch, der Scharlatan, gemessenen Schrittes aus Richtung Hopfenmarkt. Und natürlich in seinem roten Rock, mit seinem Dreispitz, seiner Perücke und seinem Stock. Als sei das die normalste Sache der Welt.
Rapp schnaubte und begab sich in die Küche. Während er das Fenster zum Hinterhof öffnete, lauschte er angestrengt nach vorn. Schlüsselgeklapper war zu vernehmen, dann erklang das Türglöckchen. Der Imitator besaß also einen Zweitschlüssel. Nun war es erwiesen. Und wenn dem so war, hatte auch das Diebespack vermutlich noch einen. Welch unangenehmer Gedanke! Schritte scharrten in der Offizin und unterbrachen Rapps Überlegungen. Dann das Ächzen der Treppe und kurz darauf das Quietschen der neunten Stufe. Kein Zweifel, der Imitator war auf dem Weg in den zweiten Stock. Rapp grinste grimmig, während er sich in Bewegung setzte und dem Scharlatan nacheilte, hinauf in den Thesaurus-Raum und dann, immer langsamer werdend, bis zur Nebenkammer.
Der Imitator wandte ihm den Rücken zu. Er stand gebeugt vor der Lesemaschine und hatte den Kopf zwischen zwei der hölzernen Buchauflagen gesteckt, ganz offensichtlich nach irgendetwas Ausschau haltend.
Rapp genoss den Anblick eine Weile, dann sagte er betont ruhig: »Sucht Ihr etwas, Herr Apotheker?« Der Scharlatan fuhr herum, als hätte ihm jemand eine Nähnadel ins Gesäß gestoßen. »Herrgott noch mal ... hast du mir einen Schrecken eingejagt!«
»Oh, das tut mir Leid.« Rapp freute sich über das entsetzte Gesicht und hatte Mühe, sein eigenes unter Kontrolle zu halten. Du Schwindelapotheker!, dachte er, du wunderst dich, wieso der Tote spurlos verschwinden konnte, und noch mehr erstaunt dich, dass ich leibhaftig vor dir stehe. Du glaubtest doch, die Büttel hätten mich längst geschnappt, damit ich aus dem Weg wäre. Sicher, anfangs war es dir recht, einen Gehilfen zu haben, doch das änderte sich, nachdem Meinardus Schlich hier herumschnüffelte. Der Büttel musste weg, und da erschien es dir probat, mir die Schuld zuzuschieben, zumal du glaubtest, dann um so leichter die Reste meines Thesaurus rauben zu können. Aber so weit ist es noch nicht. Noch lange nicht! Laut sagte er: »Ich hatte Euch heute noch gar nicht erwartet.« Der Imitator hatte seine Fassung einigermaßen wiedergewonnen. »Wieso war unten abgesperrt?«, fragte er unwirsch. »Oh, ich bitte um Entschuldigung«, tat Rapp devot. »Es roch heute Morgen so übel im Hause. So eklig und widerlich und verfault, fast möchte ich sagen, nach Leiche.« Er stellte mit Genugtuung fest, dass der Schreck in die Augen des Imitators zurückkehrte. »Ach! ... äh, und?«
»Ich ging der Sache auf den Grund und fand alsbald die Ursache heraus: Es handelte sich um ein verdorbenes Stück Schweinebauch, das Ihr in Eurer Speisekammer vergessen hattet. Ich habe mir erlaubt, es zu beseitigen und die Borde gründlich mit Essigwasser zu reinigen. Das dauerte natürlich seine Zeit, weshalb ich die Tür absperren musste.« »Ja, nun gut. Ich danke dir für deine Umsicht.« »Das Fenster in der Küche steht noch offen. Soll ich es schließen?«
»Nein. Aber gib mir den Hausschlüssel zurück.« Fordernd streckte der Imitator die Hand aus.
Rapp legte das Schließgerät ohne Bedauern hinein. Dank Opas Hilfsbereitschaft besaß er ja ein Duplikat. Der Gedanke, dass es jetzt wahrscheinlich schon vier Schlüssel zu seiner Haustür gab, beunruhigte ihn allerdings.
»Danke ...«, sagte der Imitator und wurde vom Läuten der Türglocke unterbrochen. »Wer kann das sein?«, fragte er. »Ich nehme an, ein Kunde«, antwortete Rapp, um dann scheinheilig nachzufragen: »Oder erwartet Ihr jemand anderen?« »Äh, selbstverständlich nicht.«
Doch
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