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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Hälse zog, wie ihre Zungen hervorquollen und ihre Füße zuckten, hektisch und unkontrolliert, bis endlich der Tod eintrat. Welch grauenvolle Vorstellung!
    Bleib ruhig!, befahl er sich. Bleib ruhig! Du bist der Apotheker Teodorus Rapp, ein respektierter Mann, und noch ist nichts verloren. Es muss doch jemanden geben, der den Überfall beobachtet hat. Jemanden, der bestätigen kann, dass du dich nur gewehrt hast. Allerdings: Die Zecher im Hammerhai schienen alle so blau zu sein, dass sie als Zeugen kaum in Frage kommen dürften. Aber vielleicht hat einer der Anwohner zufällig aus dem Fenster gesehen und das Ganze mitverfolgt? Ein alter Mann, der nicht schlafen konnte? Eine alte Frau, die das Nachtgeschirr leerte? Alte Menschen schlafen schlecht, wer wüsste das besser als ich, der ich ihnen häufig mit Baldrian oder einem anderen Sedativum aushelfen muss ...
    Solche und ähnliche Grübeleien kreisten in Rapps Kopf, während er immer unruhiger wurde. Endlich stand für ihn fest, dass er Gewissheit brauchte. Er wollte zum Hammerhai gehen und sich in der Gegend nach Augenzeugen umsehen. Sie würden ihm sagen, was passiert war. Sie würden wissen, ob alles, was er erinnerte, Tatsache oder nur Einbildung war. Und womöglich konnten sie ihm helfen.
    Etwas zuversichtlicher erhob er sich von der Taurolle und machte sich auf den Weg.
    Es war ein mühseliger Marsch gewesen, barfuß und ungewohnt, zunächst um den ganzen Binnenhafen herum und später dem Nikolaifleet folgend nach Norden. Immer wieder hatte Rapp das Gefühl gehabt, alle Welt müsse ihm an der Nasenspitze ansehen, was geschehen war, und jedermann müsse über seinen seltsamen Aufzug lachen. Doch nichts dergleichen war eingetreten. Hamburg war groß und der Anblick einer ungewöhnlich gekleideten Gestalt nichts Bemerkenswertes. Nun stand Rapp vor der Schänke und stellte fest, dass die Fassade bei Tage noch erbärmlicher wirkte als bei Nacht. Immerhin hatte der Laden schon geöffnet, wie ihm ein paar herüberwehende Gesprächsfetzen verrieten. Ansonsten machte die Gasse einen düsteren, verlassenen Eindruck. Kein Mensch ließ sich blicken. Kein Hund schnüffelte herum, kein Schwein grunzte in seinem Verschlag. Rapp kam sich vor wie in einer Geisterstadt.
    Er schob das unheimliche Gefühl beiseite und beschloss, den Boden abzusuchen. Er tat es sorgfältig, Zoll für Zoll, Fuß für Fuß, und kurz darauf entdeckte er, was er befürchtet hatte: Blut. Es war eingesickert, dunkel und verfärbt, aber es war unverkennbar Blut. Also doch! Er war ein Mörder. Der Beweis befand sich vor ihm. Und da waren auch die Kampfspuren, die sich gut sichtbar in der Erde abzeichneten. Und dort am Hausrand stand die Kohlenkiste, hinter der er Deckung gefunden hatte. Rapp suchte weiter, ohne genau zu wissen, nach was. Einem Stück Stoff seines Gehrocks vielleicht, einem abgerissenen Knopf oder einem Haarbüschel seiner Perücke, allein, er fand weder ein Überbleibsel seiner Habe noch einen Hinweis auf den Verbleib derselben. Dennoch bestand kein Zweifel: Dies war der Ort des Überfalls, und ebenso zweifelsfrei war klar, dass er getötet hatte.
    Aber wo befanden sich die Leichen? Es musste doch jemanden geben, der sie fortgeschafft hatte, oder wenigstens einen, der das Geschehen mitverfolgt hatte, ja, bei näherer Überlegung schien es Rapp unmöglich, dass der Kampf unbemerkt geblieben war. Er erinnerte sich, wie er auf die Halunken eingedroschen und sie angeschrien hatte. Das musste doch jemand gehört haben. Es konnte nicht anders sein!
    Rapps Blick wanderte die Hauswände empor. Irgendwo dort hinter den verschlossenen Fenstern saß bestimmt ein Mensch, der für ihn sprechen konnte. Er musste ihn nur finden. Die nächste Stunde sollte für Rapp die erniedrigendste seines Lebens werden. Wo er auch fragte oder klopfte, überall wies man ihn schroff ab. Er kam sich vor wie ein Bettler, und in gewisser Hinsicht war er es ja auch. Nie zuvor war er so behandelt worden. Als schließlich sogar eine verhutzelte Alte mit dem Feuerhaken nach ihm schlug, gab er auf. Es war einfach nicht zu reden mit den Leuten. Sie waren misstrauisch und verstockt, der Himmel mochte wissen, warum.
    Was blieb, war ein winziger Hoffnungsschimmer, und das war der Hammerhai. Er erinnerte sich an ein paar Betrunkene, die aus der Schänke getorkelt waren, bevor man ihn niedergeschlagen hatte. Vielleicht war einer von ihnen doch halbwegs nüchtern gewesen und hatte etwas gesehen? Irgendetwas, das ihm weiterhalf? Die

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